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Die Augen

Die Augen

Titel: Die Augen
Autoren: Hooper
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überfällt, sobald er anfängt, seine Bedürfnisse, sein Verlangen zu erkunden und zu befriedigen, schwinden sämtliche Hemmungen dahin, die er vielleicht gehabt hat. Jetzt weiß er nicht nur, wie es sich anfühlt, sondern versteht möglicherweise auch, was ihn an Christina anzieht, warum ihr Gesicht ihn angezogen hatte. Und deshalb wird sie sein nächstes Opfer.«
    Das klang alles erschreckend logisch, selbst in Jennifers Ohren. Sie erhob keine Einwände mehr.
    Andy atmete tief durch. »Okay, wir müssen jetzt nach einem toten Mann suchen. Und wir müssen noch etwas tun.«
    »Ja«, sagte Quentin. »Wir müssen es John sagen.«
     
    Hollis schob die Sonnenbrille auf ihrer Nase zurecht. Sie fühlte sich ungewohnt locker an. Lockerer als die Verbände.
    »Wir lassen das Licht hier drin aus, Hollis«, sagte der Arzt. Seine Stimme klang zugleich beruhigend als auch enttäuscht. »Wir wollen Sie nicht noch mehr strapazieren. Vielleicht braucht es nur ein bisschen Zeit, mehr nicht. Die Muskeln arbeiten richtig, die Pupillen auch. Der Sehnerv sieht gut aus. Die Augen selbst sind vom Aussehen her ziemlich blutunterlaufen, aber das ist völlig normal.«
    Hollis dachte, es mache ihm mehr aus als ihr. »Es ist schon in Ordnung, Doktor. Wir wussten beide, wie die Chancen standen.«
    »Bitte geben Sie die Hoffnung nicht auf, Hollis. Bei Augenoperationen gibt es nun einmal häufig eine Anpassungsphase, wenn der Verband ab ist. Geben Sie ihnen ein bisschen Zeit, okay?«
    »Ich habe keine dringenden Verabredungen«, sagte sie leichthin.
    Er seufzte. »Ich komme in ein paar Stunden wieder, dann untersuchen wir Sie noch mal.«
    »Klar.«
    Als sie wieder allein war, wandte Hollis ihr Gesicht dem Fenster zu. Auf die stürmische Nacht war den Schwestern zufolge ein trister Tag gefolgt. Nass, trübe, kalt. Insofern verpasste sie nicht viel, zumindest was den Blick aus dem Fenster betraf.
    Aber sie hätte es gern gesehen.
    Sie hätte es wirklich gern gesehen.
    Hollis?
    »Hallo, Annie. Warst du in der Nähe, als der Arzt hier war? Ich bin immer noch blind, weißt du.« Ihre Stimme klang genauso wie im Gespräch mit dem Arzt: ruhig und gelassen, beinahe zu ruhig.
    Hollis, hör mir zu. Hörst du mir zu?
    »Klar. Natürlich höre ich dir zu.«
    Du musst sehen.
    »Ich kann nicht.«
    Doch, du kannst. Das sind jetzt deine Augen, Hollis. Sie gehören dir. Sie waren ein Geschenk, damit du wieder sehen kannst. Du musst sehen.
    »Aber ich kann nicht. Da ist nur Dunkelheit. Mehr sehe ich nicht.«
    Möchtest du Maggie helfen?
    Hollis saß ganz still, ihre Hände krampften sich um die Armlehnen. »Du weißt, dass ich das will.«
    Dann musst du sehen, Hollis.
    »Aber …«
    Du musst sehen.

20
    Wortlos hörte John sich ihre Erläuterungen an. Doch in seinem Gesicht änderte sich etwas, und Maggie, die ihn beobachtete, spürte seinen Schmerz.
    »Es tut mir Leid, John«, sagte Quentin. »Wir könnten uns auch irren.«
    Mit einem schiefen Lächeln erwiderte John: »Das hoffe ich. Aber irgendwie … kommt es mir vor, als ob das einen Sinn ergibt. Es würde so vieles erklären, nicht wahr? Wie er in hoch gesicherte Häuser hineinkommt, zum Beispiel. Eine Kleinigkeit für dieses Computergenie.«
    Widerstrebend warf Maggie ein: »John, es könnte auch Christinas Tod erklären.«
    Er sah sie an, und sie spürte eine neue Welle des Schmerzes. Rasch und kompromisslos schob er ihn beiseite. »Ja, könnte sein. Von allen seinen Opfern war bei Christina die Chance, dass sie ihn identifiziert, am größten – wenn sie nur genug Zeit gehabt hätte. Das muss er gewusst haben. Als sie den Überfall überlebte, ist ihm wohl klar geworden, dass er sie nicht am Leben lassen kann. Zumal falls er in ihre Wohnung eingedrungen war und gesehen hatte, was sie alles unternahm, um ihren Vergewaltiger zu finden. Das war vielleicht auch der Grund, weshalb er sich nicht die Mühe gemacht hat, Hollis Templeton und Ellen Randall noch mal zu überfallen, als die seinen ersten Überfall überlebt hatten. Er glaubt wohl, sie könnten ihn nicht identifizieren, deshalb hält er sie nicht für eine Bedrohung.«
    Maggie dachte, wenn sie beide dies hier überlebten, müsste sie etwas wegen dieser seiner Neigung, Schmerz zu verdrängen, unternehmen. Doch im Augenblick konnte sie nur sagen: »Wenn ich in der Lage gewesen wäre, die Wohnung zu begehen, hätte ich das alles sehen können.«
    »Es hätte dich umgebracht«, sagte er rundheraus.
    Andy, der bisher sehr schweigsam gewesen war, meinte:
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