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Die Augen Rasputins

Die Augen Rasputins

Titel: Die Augen Rasputins
Autoren: Petra Hammesfahr
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verschwunden.

    »Denk’ ich gar nicht «, erklärte sie.

    »Mir ist doch egal, womit einer sein Geld verdient. Niemand wird gezwungen, sich das Zeug zu kaufen. Das kann jeder frei entscheiden, und wer meint, er braucht es, ist doch selber schuld. Ich brauche es nicht. Ich kann auch so träumen. «

    Er grinste spöttisch, mit dieser Stärke und Überlegenheit im Blick, die sie gleich bemerkt hatte. Dann nahm er die beiden Gläser von der Bar und reichte ihr eines davon.

    »Schön für dich «, sagte er dabei.

    »Das können nicht viele. «

    Später am Abend, als sie längst in einer etwas stilleren Ecke standen, soweit man überhaupt von einer stilleren Ecke reden konnte, als es längst unwichtig geworden war, daß sie ihn bei seinen Geschäften belauscht hatte, fragte er sie nach ihren Träumen, und sie erzählte ihm davon. Es waren Träume aus Stein, grün und rot und blau oder einfach nur glitzernd, mit leicht gelblichem Schimmer oder reinweiß. Träume, in denen sich das Licht brach. In die man mit einer Lupe hineinschaute, und dann sah man eine andere Welt, eine versunkene Welt, verschwundene Wälder, in Millionen von Jahren zusammengepreßt, so daß man sie jetzt mühelos in der Hand halten konnte. Das faszinierte sie so, nur das, nicht der Preis. Doch das mochte sie nicht gleich zugeben, nicht vor ihm, deshalb sprach sie auch von den Preisen. Vielleicht war es nur so, daß sie ihm imponieren wollte. Und das konnte er nicht zulassen. Er war der Meister, er verkaufte die bunten Träume. Und er trug diesen Zauberstab bei sich, der kleine Mädchen atemlos machte, der ihnen Herzklopfen und einen vibrierenden Magen bescherte. Dieses Zucken im Innern, halb Furcht, halb Verlangen. Der zuerst in ihren Kopf eindrang, ihn ganz ausfüllte, und später, viel später in ihren Bauch. Das war ein Versprechen. Er hatte es ihr beim Tanzen gegeben, ohne ein Wort zu sagen, hatte sie nur an sich gezogen, so fest, daß sie ihn fühlen konnte. Hatte sie ein bißchen verlegen gemacht damit, hatte gelächelt dabei. Und dann schaute er sie eben an. In seinen Augen spiegelten sich der Nebel und die Lichter. Und dahinter war noch etwas anderes, Magie, ein winziger Moment, eine Ewigkeit, diese Wolke aus Watte und das Feuer, das ihr nachts so häufig begegnete. Er flüsterte ihr Dinge zu, die sie noch nie vorher gehört hatte. Ließ den Blick nicht von ihrem Gesicht dabei, strich manchmal mit den Fingerspitzen über ihre Wangen oder zeichnete ihre Lippen nach. Er nannte sie anfangs ein vernünftiges kleines Mädchen. Sagte, wie sehr er es schätzte, wenn kleine Mädchen vernünftig waren. Wenn sie wußten, was gut für sie war. Und später nannte er sie süß und kostbar, kostbarer als alle Steine dieser Welt zusammengenommen. Etwas, das einem Mann nur einmal im Leben begegnete, das man hüten und schützen mußte bis in alle Ewigkeit.
    So hatte es angefangen. Jetzt überschwemmte es sie wieder. Sie versuchte es abzuschütteln. Das gelang ihr nicht. Irgendein Teil ihres Gehirns hatte sich selbständig gemacht, warf alles durcheinander, damals und jetzt, Eds Erklärungen, die vorsichtigen Formulierungen, die unterschwellige Furcht darin. Ed hatte sich immer bemüht, seine Furcht nicht offen zu zeigen, aber ganz verbergen können hatte er sie auch nicht. Vielleicht hatte er sie einfach nur unterschätzt. Nicht die Furcht, sie, das kleine Mädchen, die Patientin, die ihm alles offenbarte, fast alles, die dabei von ihm lernte. Und zuallererst lernte sie, daß es Männer gab, vor denen Ed sich fürchtete, weil er sie nicht richtig einschätzen konnte, weil ihr Verhalten ihm rätselhaft, abnorm, vielleicht sogar unheimlich erschien, weil er sie deshalb für unberechenbar hielt. Ed hatte einen bestimmten Ausdruck dafür benutzt, Psychopath. Ein wandelndes Pulverfaß, eine Bombe, die beim geringsten Anlaß explodieren konnte. Und irgendwann hatte Ed ihr nicht mehr zuhören können, wenn sie von solch einer Bombe sprach. Vielleicht war er auch nur überrumpelt worden von seinen eigenen Gefühlen. Er hatte ihr das alles sehr ausführlich erklärt, vor fünf Jahren, als er ihr vorschlug, die Therapie zu beenden. Als er praktisch eine Todsünde beging und sich selbst bloßlegte.

    »Wenn Sie diese Gespräche noch eine Weile fortführen möchten, Patrizia «, hatte Ed gesagt,

    »werde ich einen Kollegen bitten, Ihre weitere Behandlung zu übernehmen. «

    Warum ein Kollege? Und Ed hatte gelächelt, nicht so wie sonst, nicht nur freundlich. Da
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