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Die Assistentin

Die Assistentin

Titel: Die Assistentin
Autoren: Suzanne Forster
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Zweifel daran, dass es Ned war. Rick erkannte die verblasste Narbe an seinem Kinn, noch ehe er das Einschussloch sah. Als Kinder hatten er und Ned geglaubt, sie wären unverwundbar und sie könnten von Dächern springen, fliegen und auf dem Wasser laufen. Diverse Narben bewiesen, dass sie doch nicht ganz so zäh waren. Aber sie hatten sich nicht einschüchtern lassen, selbst als Ned einmal beim Tarzan-Spielen einen Ast verfehlte, zu Boden stürzte und sich das Kinn aufriss. Damals waren sie acht gewesen.
    Rick schaltete das Licht einen Moment lang aus. Er brauchte einen Augenblick, um mit den Erinnerungen fertig zu werden. Er atmete tief ein, um das erstickende Gefühl in seiner Brust zu lindern. Nach seinem Besuch im Leichenschauhaus war er wie betäubt gewesen, und er hatte sich gewünscht, dieser Zustand könnte ewig anhalten. Das Gesicht, das er gesehen hatte, gehörte nicht seinem Freund. Es war eine Totenmaske mit Neds Gesichtszügen. Der Körper, der die vor Lebendigkeit sprühende Seele beherbergt hatte, war nur noch eine leere Hülle. Ned war fort.
    Rick glaubte nicht an Himmel und Hölle. Er konnte sich also nicht damit trösten, dass er seinen Freund eines Tages wiedersehen würde. Der Ned, der wie ein Teil von ihm gewesen war, war verschwunden, und er hatte seinen besten Freund allein zurückgelassen. Rick konnte sich ab jetzt nicht einmal mehr Neds Gesicht ins Gedächtnis rufen, ohne dass es von dem Bild einer Leiche mit einer Kugel im Kopf verdrängt wurde. Es gab keinen Trost, nicht einmal in seinen Erinnerungen. Darum musste er herausfinden, was geschehen war. Zumindest würde diese Frage ihn dann nicht länger quälen.
    Nachdem er das Leichenschauhaus verlassen hatte, war er direkt zum West L.A. Police Department gefahren, um dort mit seinem alten Kumpel Don Cooper von der Mordkommission zu reden. Dieser hatte zwar mit dem Fall nichts zu tun, bestätigte aber, dass das Dezernat für Kapitalverbrechen sich der Sache angenommen hatte. Cooper hatte gehört, natürlich nicht offiziell, dass es allein Neds Bekanntheitsgrad als Baseballspieler zu verdanken war, dass überhaupt in diesem Fall ermittelt wurde. Niemand zweifelte daran, dass Ned erst seine Freundin und dann sich getötet hatte. Cooper hatte außerdem bestätigt, dass es einen Abschiedsbrief gab. Über den Inhalt hatte er jedoch nichts sagen können.
    Er hatte Rick auch anvertraut, welche Waffe Ned benutzt hatte. Natürlich war keine dieser Informationen für Außenstehende bestimmt. Genau aus diesem Grund hatte Rick sich ja an Cooper gewandt: Er war ein Schwätzer. Eines Tages würde er sich noch um Kopf und Kragen reden.
    Rick ließ den Lichtstrahl über den Ledersessel gleiten. Hier hatte Ned gesessen, sich den Lauf der Neun-Millimeter-Pistole an die rechte Schläfe gepresst und abgedrückt. Der Kreideumriss zeigte ihm, dass sein Freund von der Wucht des Schusses nach links geschleudert und über die Armlehne gesunken war.
    Was hatte ihn nur dazu getrieben?
    Die Fragen, die in Ricks Kopf kreisten, machten ihn beinahe wahnsinnig. Hatte er Ned auf diese Idee gebracht? Hatte die Szene in der Hütte irgendetwas bei seinem Freund ausgelöst? Als Kinder hatten sie alles zusammen unternommen, und fast immer war Rick der Anführer und Anstifter gewesen.
    Aber er konnte das einfach nicht glauben, trotz der quälenden Schuldgefühle, die er empfand. Ned war ein erwachsener Mann. Er würde niemals einen Selbstmord nachäffen. Rick musste langsam anfangen, wie ein Ermittler an die Sache heranzugehen. Ned hatte nie eine Pistole besessen. Er könne mit einem Baseballschläger größeren Schaden anrichten, hatte er immer gesagt. Rick fragte sich, ob irgendjemand überprüft hatte, ob Ned vor Kurzem eine Waffe gekauft oder einen Waffenschein gemacht hatte. Und ob die leeren Patronenhülsen auf Fingerabdrücke untersucht worden waren.
    Rick ließ den Lichtstrahl von dem Kreideumriss im Sessel zu dem der Frau auf dem Boden direkt davor wandern. Cooper hatte ihm erzählt, dass sie in einer Pose sexueller Demütigung gestorben war, teilweise nackt und gefesselt. Sie hatte eine billige Plastiktüte aus dem Supermarkt über den Kopf gestülpt und war erstickt. Aber wahrscheinlich war sie nicht schnell gestorben. Der Zustand der Plastiktüte und die Art, wie das Blut aus den Adern ihrer Augen getreten war, deuteten darauf hin, dass die Prozedur mehrmals unterbrochen worden war, vermutlich absichtlich.
    Rick hatte Cooper gefragt, ob man Verbrennungen an ihren
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