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Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara

Titel: Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara
Autoren: Maggie Furey
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Der Bogenschütze versuchte nach besten Kräften, den Fremden zu beruhigen, der in einer fremden Sprache seinen Schmerz herausschrie. Und Vannor – der liebe gutherzige Vannor –, der bis zu diesem Augenblick so ruhig und gefaßt schien, hatte sich so abrupt auf den Boden gesetzt, als hätten seine Beine sich plötzlich in Wasser verwandelt; dann hatte er das Gesicht in den Händen vergraben. Das Schlimmste von allem aber war die Lady Eilin, die reglos und ein wenig abseits von den andern dastand; in ihren Augen brannte ein trostloses und furchtbares Licht, und ihr Gesicht schien sich in Stein verwandelt zu haben.
     
    Irgend jemand mußte sich um sie alle kümmern – soviel stand fest. Vielleicht, dachte Dulsina, wäre es das beste, wenn sie diesen unglücklichen Ort mit seinen tragischen Erinnerungen verließen und in das Rebellenlager zurückkehrten – falls die Flammen wenigstens diese sichere Zuflucht verschont hatten. Ihre Gefährten schienen jedoch außerstande zu sein, sich aus ihrer Erstarrung zu lösen – und als sie versuchte, mit der Lady Eilin zu reden, prallte sie an einer undurchdringlichen Mauer aus Eis ab, hinter der ein wilder, unterdrückter Zorn loderte. Dulsina ließ sich wahrhaftig nicht leicht einschüchtern, aber die Art, wie die Magusch direkt durch sie hindurchsah, erschreckte sie bis ins Mark. Und wenn es um ihr Leben gegangen wäre, sie wagte es nicht, Eilin weiter zu bedrängen – denn sie war sicher, wenn die Lady sie das nächste Mal mit ihrem furchtbaren Blick bedachte, würde ihr nicht kühle Gleichgültigkeit, sondern heißer Zorn entgegenschlagen. Dulsina, die schließlich keine Närrin war, überlegte sich die Sache augenblicklich anders. Wir können alles, was von unserem Lager hier übriggeblieben ist, mitnehmen, entschied sie schnell. Nur die Götter wissen, wie dringend wir ein wenig Behaglichkeit brauchen, nach all den schrecklichen Dingen, die wir heute mit angesehen und erlitten haben.
    Die Sonne wird jetzt bald untergehen, und wir müssen uns vor Einbruch der Dunkelheit etwas zu essen beschaffen; und einen Platz zum Schlafen brauchen wir auch.
    Schon versank die Sonne in dem dichten Rauch, der wie ein grimmiges graues Leichentuch über dem Tal hing. Dulsina seufzte. Es mußte doch irgend jemanden hier geben, der ihr helfen könnte? Einen vernünftigen, tüchtigen Menschen, der nicht völlig von Sinnen war? Mit einem Gefühl tiefer Dankbarkeit fiel ihr Blick auf Hargorn, der ein kleines Stück von ihnen entfernt am Seeufer stand. Der alte Soldat blickte übers Wasser zur Insel hinüber und stützte sich dabei schwer auf sein Schwert, das er mit der Spitze nach unten in die schlammige Erde am See gebohrt hatte. Als Dulsina auf ihn zuging, löste sich ihre Erleichterung jedoch abrupt in Luft auf. Zum ersten Mal, seit sie ihn kennengelernt hatte, sah Hargorn wie ein alter Mann aus. Aber als er ihre Schritte hörte, richtete er sich hastig auf, und obwohl sein zerfurchtes Gesicht ein verräterisch feuchtes Glitzern zeigte, waren seine Augen trocken, und er schien durchaus bei Sinnen zu sein – abgesehen vielleicht von der furchtbaren, bitteren Leere in seinem Blick.
    »Maya ist fort«, sagte er leise, bevor Dulsina sprechen konnte. »Das arme Mädchen war die ganze Zeit hier im Tal, und ich habe nichts davon gewußt – und jetzt ist sie wieder fort.« Seine Stimme war schließlich nur noch ein Flüstern. »Ich war immer so stolz auf sie – auf das, was sie aus sich gemacht hat. Sie wußte es nicht, aber sie war für mich wie die Tochter, die ich nie gehabt habe.« Dann schüttelte er sich, und seine Augen nahmen wieder einen wachsamen Ausdruck an. »Aber es hat keinen Sinn, sie zu betrauern, als sei sie tot, wo wir das doch gar nicht sicher wissen können«, fügte er mit neuer Entschlossenheit hinzu. »Maya hätte dazu bestimmt das eine oder andere zu sagen gehabt – sie hat mehr Mumm in den Knochen als die meisten Saukerle, die ich so kenne – o tut mir leid!« Es war ihm eingefallen, daß er sich nicht mit einem seiner Männer unterhielt. »Aber was kann ich nun für dich tun?«
    Dulsina mußte ihren eigenen Kummer herunterschlucken, bevor sie antworten konnte. Seine Worte hatten sie an das Sonnwendfest erinnert, bei dem sie Vannors Tochter in der überfüllten Großen Arkade verloren hatte. Maya und die Lady Aurian hatten Zanna aus dem Gedränge gerettet und sie sicher zu ihrer Kutsche zurückgeleitet. Die beiden jungen Frauen, die eine Kriegerin, die andere
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