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Die Anklage - Ellis, D: Anklage - Breach of Trust

Die Anklage - Ellis, D: Anklage - Breach of Trust

Titel: Die Anklage - Ellis, D: Anklage - Breach of Trust
Autoren: David Ellis
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sagen.«
    »Ja, stimmt«, erwiderte ich. »Ich denke, ich weiß, wie wir die Verteidigung in diesem Fall aufziehen.«

4
    Als zweiter Anwalt im Almundo-Verteidigungsteam hatte ich eine doppelte Funktion. Zum einen musste ich mich auf meinen Teil des Prozesses vorbereiten, der zwar kleiner war als Pauls, aber immer noch beträchtlich. Gleichzeitig musste ich die übrigen Mitglieder des Almundo-Teams anleiten – sechs Anwälte, sechs Anwaltsgehilfen und vier Privatermittler – und dafür sorgen, dass alle an einem Strang zogen. Wir versammelten uns zweimal täglich zu einem Meeting, das erste am Morgen und ein weiteres um fünf Uhr nachmittags. Bei dieser Gelegenheit wurde überprüft, ob alle wichtigen Dokumente und Unterlagen in die Datenbank eingespeist und richtig vernetzt worden waren; ob alle im Vorfeld eines Prozesses erforderlichen Anträge aufgesetzt waren; ob die Entwürfe für die
Zeugenbefragungen und die Kreuzverhöre vorlagen. Es waren jetzt noch drei Wochen bis zur Verhandlung, und all die Aufgaben, von denen wir gedacht hatten, dass noch ausreichend Zeit dafür wäre, schienen plötzlich aufgrund des Zeitdrucks kaum mehr zu bewältigen.
    Meine persönliche To-do-Liste hatte ich recht gut im Griff. Ich hatte all meine Aufgaben auf Notizzettel gekritzelt und damit meine Bürowände gepflastert; die meisten davon waren inzwischen abgearbeitet. Nur ein wichtiger Punkt war noch offen: Ernesto Ramirez. Joel Lightner hatte ihn erneut als aussichtslosen Fall abgestempelt – »Entweder er weiß tatsächlich nichts, oder weiß was und verrät es dir nicht; in jedem Fall ist der Kerl eine Sackgasse« –, aber das spornte mich nur umso mehr an. Ich war mir sicher, dass ich in seinem Mienenspiel irgendetwas bemerkt hatte, und in meiner Fantasie wurde seine Aussage zu einem entscheidenden Wendepunkt der Verhandlung, zu einem Perry-Mason-Moment. Wenn alle anderen im Almundo-Team daran zweifelten, umso besser; dann würde der Triumph ganz allein mir gehören.
    »Wie geht’s dir?«, sagte ich in mein Handy.
    »Es ist bald so weit«, erwiderte Talia.
    »Schön wär’s ja.«
    »Wann kommst du nach Hause?«
    »Ich muss nur noch eine einzige Sache regeln.«
    Diese einzige Sache war Ernesto Ramirez. Lightner hatte jemanden engagiert, der den Hintergrund des Mannes komplett durchleuchtet hatte, für den Fall, dass ich strafrechtlich gegen ihn vorgehen wollte. Ernesto Javier Ramirez, ehemaliges Mitglied der Latin-Lord-Straßengang, arbeitete inzwischen für den gemeinnützigen Verein La Otra Familia, der Kids von den Straßengangs fernzuhalten versuchte; er hatte
eine Frau, Esmeralda, sowie zwei Kinder im Alter von sechs und neun. Dreimal die Woche stemmte er Gewichte im YMCA. Einmal die Woche aß er mit seiner Mutter zu Abend. Er besuchte jeden Dienstag einen Fortbildungskurs für Heimwerker. Ansonsten ging er zur Arbeit oder verbrachte Zeit mit seiner Familie.
    Am wichtigsten war jedoch, dass er immer noch Kontakt zu den Latin Lords hatte. Dadurch besaß er direkten Zugang zu Informationen über alle möglichen kriminellen Aktivitäten – wenn er nur wollte. Falls er tatsächlich etwas über den Wozniak-Mord wusste, dann stammte die Information vermutlich von den Lords, und wenn man den Faden noch ein wenig weiterspann, dann waren es womöglich die Lords, die Wozniak auf dem Gewissen hatten, und nicht die Columbus Street Cannibals. Es mochte ein Schuss ins Blaue sein, aber man stelle sich vor, welche Bombe dies bei Hectors Prozess platzen ließe: Das FBI hat die falsche Straßengang beschuldigt. Damit würde ich ein gewaltiges Loch in den wichtigsten Teil ihrer Anklage reißen, den Wozniak-Mord. Zwar wäre Hector dadurch noch nicht vom Vorwurf der Schutzgelderpressung entlastet, aber wenn wir der Anklage erst mal ihr Standbein weggetreten hatten, würde das andere ziemlich ins Wackeln geraten.
    Seine YMCA-Zweigstelle lag drüben im Liberty-Park-Viertel, ganz in der Nähe seines Büros und seiner Wohnung. Ich nahm den Wagen. Die Sonne war schon hinter den Mietshäusern der Southwest-Side versunken, verbreitete aber immer noch einen matten Glanz über den kaputten Straßen und heruntergekommenen Läden – Wechselstuben, Schnapsläden mit vergitterten Fenstern, eine Bäckerei und ein paar carnicerias. Ich kannte mich nicht sonderlich gut aus in dieser
Gegend. Zwar war ich nur ein paar Kilometer östlich aufgewachsen, in Leland Park, aber es hätten ebenso gut tausend Kilometer sein können. Damals überschritt keiner
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