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Die Angst des wei�en Mannes

Titel: Die Angst des wei�en Mannes
Autoren: Peter Scholl-Latour
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Administration in East-Timor« –, unter steht der Autorität eines Hohen Beauftragten aus Bangladesch. Das wirkt nicht gerade ermutigend. Im westafrikanischen Sierra Leone, wo die Weltorganisation sich durch militärisches Versagen hervor tat, ist das Wort »Bangladesch« bei den dortigen Eingeborenen zum Synonym für Chaos und Ratlosigkeit geworden.
    Voraussichtlich wird der Einsatz der UNO in Timor-Leste mit einem ähnlichen Fiasko enden wie die massive Intervention im kongolesischen Hexenkessel der frühen sechziger Jahre oder – zwei Dekaden später – im »befreiten« Kambodscha, wo sie in Stärke von 30 000 Bewaffneten nur zusätzliches Unheil, zumal eine massive Verseuchung durch Aids bewirkte. Der Anblick eines bewaffneten Afrikaners in Dili, dessen dunkelblaue Uniform die Aufschrift »Uganda Police« trägt, könnte bittere Heiterkeit auslösen, genießt dochdiese vom deutschen Bundespräsidenten gern besuchte und als Demokratie gepriesene ostafrikanische Republik Uganda unter ihrem Staatschef Museveni, die sich der Plünderung der Rohstoffe und des Massakers an Zivilisten in der benachbarten Kongo-Provinz Ituri schuldig machte, einen besonders finsteren Ruf. Daß zudem Filipinos berufen wurden, die timoresische Polizei auszubilden, mutet wie eine böse Farce an, gilt doch Manila als Schwerpunkt ostasiatischer Kriminalität und Korruption.
    Die meisten Hilfsdienste, die unter der blauen Flagge operieren, sind in volle Deckung gegangen, als sie feststellten, daß Timor-Leste alles andere als eine Tropenidylle ist. Die UNO ist auch hier mit der üblichen Fahrzeug-Armada extrem teurer, mit allem Kom fort ausgestatteter Landrover und Geländewagen zugegen. Die weißen Luxuskarossen – es wurden mehr als tausend gezählt – ste hen ungenutzt auf streng bewachten Parkplätzen. Sollte wirklich ein UNO-Beauftragter die Kühnheit aufbringen, irgendein Projekt im Landesinnern persönlich zu inspizieren, läuft er Gefahr, daß seine Windschutzscheibe durch Steinwürfe wütender Einheimi scher zerschmettert wird.
    Die meisten NGOs, die wie die Heuschrecken über die neu gegründete Republik hergefallen waren, haben sehr schnell den Heimflug angetreten, als sie merkten, daß auf Timor gelegentlich scharf geschossen wird. Eine dubiose deutsche Hilfsorganisation hatte sich dadurch hervorgetan, daß sie die Schulkinder mit Coca-Cola und Chips beglückte. Man hüte sich vor Verallgemeinerun gen. Mir ist sehr wohl bewußt, daß eine beachtliche Zahl von inter nationalen Hilfswerken vorbildliche und selbstlose Arbeit leistet. Man denke nur an Caritas, Brot für die Welt, Ärzte ohne Grenzen, die »Grünhelme« Rupert Neudecks, an die Malteser und manche andere mehr. Doch die Masse der »Non-Governmental Organiza tions« – im afghanischen Kabul sind sie in Hundertschaften prä sent – steht allzu oft im Dienste undurchsichtiger Geschäfte, des exotischen Reiserummels, einer egoistischen Selbstbestätigung und mehr noch der humanitär getarnten Spionage.
    Beim Anflug auf Timor war mir das knallrote Ziegeldach eines monumentalenGebäudes aufgefallen, das aus der allgemeinen Tristesse herausragte. Aus der Nähe betrachtet, erweist sich dieser extravagante Palast als das Außenministerium der Republik Timor-Leste, das von Bautrupps der Volksrepublik China in Rekordzeit aus dem Boden gestampft wurde und das in keinem Verhältnis zu den diplomatischen Bedürfnissen dieses Zwergstaates steht. Schon sind in unmittelbarer Nachbarschaft die rastlosen Arbeiter aus dem Reich der Mitte damit beschäftigt, die Grundmauern des Verteidigungsministeriums und einer pompösen Präsidentenresidenz zu zementieren. Deren Vollendung wird nicht lange auf sich warten lassen und den langfristig planenden roten Mandarinen von Peking Ansehen und – wer weiß – politisches Gewicht verschaffen.
    *
    Die Unterkunftsmöglichkeiten auf Timor waren mir vor der Ab reise in düstersten Farben geschildert worden. Ich gedachte schon bei den Geistlichen der Steyler Mission oder bei den Salesianern um Asyl zu ersuchen. Es ist eine freudige Überraschung, als die Betreuer der GTZ uns im komfortabel renovierten Hotel Timor unterbringen, dessen klimatisierte Zimmer mit Fernsehern samt Empfang von CNN und BBC ausgestattet sind und allen hygie nischen Ansprüchen genügen. In der großen Eingangshalle, wo sich riesige Ventilatoren drehen, plaudert ein gemischtrassiges Publikum überwiegend auf Portugiesisch. Es schafft eine iberisch anmutende Atmosphäre.
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