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Die Angst des wei�en Mannes

Titel: Die Angst des wei�en Mannes
Autoren: Peter Scholl-Latour
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buntgestreifte »Tais« – Schals oder Sarongs – herstel len. Ich kann an diesen Produkten keinen Gefallen finden und erfahre zu meiner Verwunderung, daß sie in der Vorstellung der Einheimischen über magische, heidnische Kräfte verfügen sollen. Der katholische Klerus der Kolonialherren hat angeblich noch vor fünfzig Jahren öffentliche Verbrennungen des suspekten Teufels zeugs angeordnet. Der Inquisitionsbegriff »Autodafé« stammt be kanntlich aus dem Portugiesischen.
    Die ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung gibt manches Rätsel auf. Die Typen sind extrem unterschiedlich. Durch Schönheit und Grazie zeichnen sich die meisten Timoresen nicht aus. Die Frauen, die uns mit freundlicher Trägheit begegnen, entbehren der betörenden Reize der polynesischen Südsee-Insulanerinnen, denen einst die Meuterer von der »Bounty« erlagen. So manches an diesem Sunda-Hafen von Dili erinnert an die morbide, faulige Atmosphäre, die Joseph Conrad in seinem Outcast of the Islands beschreibt.Doch den erotischen Zauber, dem der verkommene, traurige Held des Romans verfällt, würde man auf Timor vergeblich suchen. Dadurch erklärt sich vielleicht, daß diverse UNO-Besoldete und mehr noch die Freibeuter pseudo-humanitärer NGOs in der ersten Phase der Unabhängigkeit Prostituierte aus Bangkok und Manila einfliegen ließen.
    Die Völkerkundler verweisen auf den geographischen Urzustand, als eine Landbrücke zwischen Südostasien und Australien den aus tronesischen Migrationen erlaubte, bis nach Tasmanien vorzudrin gen. Der melanesische Rasseneinschlag ist auf Timor vorherrschend und verweist bereits auf die Nachbarschaft der Papua-Stämme Neu guineas. Dazu kommen starke malaiische Einflüsse, obwohl die hin duistisch-buddhistische Hochkultur, die im dreizehnten und vier zehnten Jahrhundert an den Höfen von Java erblühte, die östlichen Sunda-Inseln Flores und Timor nicht erreichte.
    Auch die rapide Islamisierung, der es die heutige Republik Indo nesien verdankt, der zahlenstärkste Staat der Umma mit 220 Mil lionen Korangläubigen zu sein, hat diese abgelegenen Eilande nicht erfaßt. Nur eine kleine Anzahl arabischer Seefahrer war aus Jemen, aus der bizarren Welt der biblisch wirkenden Hochhäuser von Hadramaut, aufgebrochen, auf den Spuren des legendären Sindbad nach Südosten gesegelt und hatte sich bis nach Timor ver irrt. Hingegen lebt hier eine starke chinesische Kolonie von Hakka aus der Provinz Kwantung. Sie wurden seinerzeit von europäischen Plantagenbesitzern als Kulis angeheuert und haben es in Dili wie im übrigen Insulinde binnen weniger Generationen zu Wohlstand und Einfluß gebracht.
    Die Portugiesen ihrerseits, die fünfhundert Jahre lang die heutige Republik Timor-Leste dominierten, ließen sich auf diesem Außenposten in geringer Zahl nieder. Aber die lusitanischen Abenteurer, die von den rassebewußten calvinistischen Buren der südafrikanischen Kap-Kolonie als »Seekaffern« geschmäht wurden, vermischten sich intensiv und ohne Vorbehalt mit den Eingeborenen und hinterließen eine zahlreiche Nachkommenschaft. In Afrika hieß es: »Gott schuf den Weißen und den Schwarzen, den Mulatten schuf derPortugiese.« Auf Timor könnte man das Wort »Mulatte« durch »Mestiço« ersetzen.
    Heute untersteht die junge Republik Timor-Leste dem De-facto-Protektorat der Vereinten Nationen und mehr noch dem hemds ärmeligen Zugriff Australiens. Auf den ersten Blick fällt die mi litärische Präsenz der »Aussies«, die auf dem Höhepunkt der Unabhängigkeitswirren mit 6000 Soldaten präsent waren und heute noch über 1500 Mann verfügen, nicht sonderlich auf. Nach den jüngsten dramatischen Ereignissen, die sich drei Wochen vor meiner Ankunft in Dili abspielten, patrouillieren ihre vorzüglich ausgebil deten Commandos nach Einbruch der Dunkelheit im Dschungel. Sie werden bei ihren Einsätzen von Hubschraubern mit Nacht sichtgeräten unterstützt. Bei Tage treten die übrigen Blauhelm-Kontingente recht zurückhaltend in Erscheinung. Diese Muskoten aus Pakistan, Bangladesch, Kenia und anderen Ländern der Dritten Welt, die von ihren Regierungen an die Weltorganisation verpach tet und von ihren Machthabern um den größeren Teil ihres relativ hohen Wehrsoldes betrogen werden, zeichnen sich – wie üblich – durch mangelnde Einsatzbereitschaft und durch Inkompetenz aus.
    Die umfangreiche Aktion der UNO, die mit den verwirrenden Anagrammen UNMISET und UNTAET ausgestattet ist – letzte res steht für »Transitional
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