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Die Angebetete

Die Angebetete

Titel: Die Angebetete
Autoren: Jeffery Deaver
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erkennen, die sich erst viele Meilen später zum majestätischen Yosemite aufschwingen würden.
    Dance stieg aus in die brütende Hitze und fühlte sich tatsächlich benommen. Das Frühstück mit den Kindern und Hunden lag schon lange zurück.
    Ihr Zimmer war noch nicht fertig, aber das spielte keine Rolle, denn sie war in einer halben Stunde – um dreizehn Uhr – mit Kayleigh und einigen Freunden verabredet. Sie deponierte ihr Gepäck an der Rezeption und stieg wieder in den Pathfinder, in dem es bereits heiß wie in einem Backofen war.
    Dann gab sie eine andere Adresse in das Navi ein, fuhr los und folgte pflichtgetreu den Richtungsanweisungen. Sie fragte sich, wieso die einprogrammierten Stimmen dieser Geräte meistens weiblich waren.
    An einer roten Ampel nahm sie ihr Telefon und überprüfte die Liste der eingegangenen Anrufe und Textnachrichten.
    Leer.
    Gut, dass niemand aus dem Büro oder den Lagern der Kinder sie zu erreichen versucht hatte.
    Aber seltsam, dass nichts von Kayleigh dabei war, die eigentlich im Laufe des Vormittags hatte anrufen wollen, um das Treffen zu bestätigen. Das war nämlich einer der Punkte, die Dance an der Künstlerin stets beeindruckt hatten: Ungeachtet ihrer Berühmtheit vernachlässigte sie nie die Kleinigkeiten. Sowohl im »normalen« Leben als auch auf der Bühne wirkte sie vollauf verantwortungsbewusst.
    Dance wählte Kayleighs Nummer.
    Und landete direkt bei der Mailbox.
    Kathryn Dance musste lachen.
    Die Eigentümer des Cowboy Saloon besaßen Humor. Der dunkle, in Holz gehaltene und erfreulich gut klimatisierte Laden hatte kein einziges Cowboy-Utensil vorzuweisen. Das Leben im Sattel wurde dennoch ausgiebig repräsentiert – durch die Frauen , die in diesem Beruf ritten, mit Lasso und Brandeisen umzugehen wussten und das Vieh trieben … und auch den Revolver schwangen, wenn man dem Poster glauben durfte, auf dem eine Wildwestversion von Rosie der Nieterin Flaschen von der Querlatte eines Zaunes schoss.
    Laut der Filmplakate, vergrößerten Buchumschläge, Butterbrotdosen, Spielzeuge, Gemälde und Fotos musste es im Wilden Westen von langhaarigen, vollbusigen Mädchen gewimmelt haben, die Hüte mit breiter Krempe trugen, neckische Halstücher, Wildlederröcke und bestickte Blusen sowie einige der herrlichsten Stiefel, die je angefertigt wurden. Kathryn Dance hatte eine Schwäche für Schuhe und besaß zwei Paar hochwertige Noconas. Doch keines von beiden konnte sich auch nur annähernd mit den Prachtexemplaren messen, die Dale Evans – Roy Rogers’ Costar in seiner Fernsehshow der Fünfzigerjahre – hier auf einem verblassten Poster trug.
    Kathryn ging zum Tresen, bestellte ein Glas Eistee, leerte es durstig und bestellte ein weiteres. Dann setzte sie sich an einen der runden, vielfach überlackierten und zerkratzten Tische und musterte die Kundschaft. Zwei ältere Paare, drei erschöpfte Arbeiter in Overalls der Stadtwerke, deren Dienst vermutlich schon im Morgengrauen begonnen hatte, ein schlanker junger Mann in Jeans und Karohemd, der die altmodische Jukebox betrachtete, und einige Geschäftsleute mit weißen Hemden und dunklen Krawatten, aber ohne Jacketts.
    Kathryn freute sich darauf, Kayleigh zu sehen und die Songs der Trabajadores aufzunehmen. Und sie freute sich auf das Mittagessen. Sie hatte einen Mordshunger.
    Außerdem machte sie sich Sorgen.
    Es war jetzt zwanzig nach eins. Wo blieb ihre Freundin?
    Aus der Jukebox ertönte ein Lied. Dance lachte auf. Es war ein Song von Kayleigh Towne – und angesichts dieses Ortes auch noch ein besonders gut gewählter: »Me, I’m Not a Cowgirl.«
    In dem Lied ging es um eine gewöhnliche Hausfrau und Mutter, deren Leben nichts mit dem Dasein eines Cowgirls zu tun zu haben scheint, bis ihr am Ende klar wird, dass womöglich doch eine Geistesverwandtschaft besteht. Es war ein typischer Kayleigh-Song, fröhlich und unbeschwert, aber dennoch mit einer Aussage.
    In diesem Moment öffnete sich die Vordertür, und ein gleißender Sonnenstrahl fiel auf den verschrammten Linoleumboden, über den geometrische Formen tanzten, die Schatten der Eintretenden.
    Dance stand auf. »Kayleigh!«
    Umgeben von vier weiteren Leuten betrat die junge Sängerin das Restaurant, zwar lächelnd, aber mit einem schnellen Blick in die Runde. Dance merkte sofort, dass ihr irgendwas zu schaffen machte. Nein, mehr als das. Kayleigh Towne hatte Angst.
    Doch was auch immer sie hier vorzufinden befürchtet hatte, war nicht da, und ihre Anspannung ließ
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