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Die andere Haut: Roman (German Edition)

Die andere Haut: Roman (German Edition)

Titel: Die andere Haut: Roman (German Edition)
Autoren: Carmen Schnitzer
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als noch niemand von ihnen wissen sollte. Er hat mit allen Mädchen getanzt, und als Lara an der Reihe war, hat er ihre Hand leicht gedrückt. Ein kurzes Versprechen. Ihnen blieben nur wenige Nächte, in seinem Blick lag Abschied und Wehmut, ihr Herz schlug so heftig, bis zum Hals und darüber hinaus. Jetzt ist er wieder bei ihr, hält sie, sie spürt seinen fordernden Mund, ihr wird schwindlig von seinem Kuss, die Hitze tut ihr übriges, sie glüht, verbrennt, verschwindet …
    „Wollen wir kurz raus, uns abkühlen?“, hört sie von weitem Jans Stimme und nickt. Sie steigen aus dem Becken, doch ihr Körper gehorcht ihr nicht mehr. Die Beine sacken ihr weg, auf ihrer glühenden Stirn bildet sich kalter Schweiß, ihren Blick vernebelt ein grauer Schleier. Bevor ihr schwarz vor Augen wird, merkt sie, wie Jan sie gerade noch auffangen kann.

Kapitel 4
Machos und Hippies
    S anfte Lippen, wiegende Hüften, Liebe und Tanzen, Sehnsucht und Leidenschaft ... Davon handeln die Lieder, während ein kaum 20-jähriger kanadischer Neuankömmling Lara unbeholfen über die Tanzfläche schiebt. Sie ist ja selbst nicht besser, lächerlich steif bewegt sie sich, während Ricardo ihr und den anderen Merengue beizubringen versucht. Er sieht sich um, geht durch die Reihen, sehr „macho“ seien die lateinamerikanischen Tänze, erklärt er, deshalb hätten Europäerinnen und Nordamerikanerinnen damit oft ein Problem. „Ihr müsst euch führen lassen, ich weiß, das seid ihr nicht gewohnt. Nur beim Tanzen“, er lächelt, „ihr werdet sehen ...“
    Nun ist er bei ihnen angekommen und beobachtet kurz ihr Bemühen. Dann entwindet er Lara den Armen ihres rotblonden Partners, der erleichtert wirkt, aber auch sehnsüchtig, weil er nicht zum Macho geboren ist.  Ihr selbst zittern die Knie und sie bringt nun erst recht nichts mehr zustande, starrt stumm auf Ricardos rotes Hemd, doch das lässt er nicht zu: „Schau mich an!“
    Sie hebt den Kopf. So schön bist du gar nicht, denkt sie, was sogar stimmt. Seine Nase ist ein wenig zu groß und zu schief, seine Lippen zu schmal, aber es hilft nichts mehr. Sie zappelt bereits wie ein Insekt im Spinnennetz, und kaum etwas ist ihr angesichts seiner fast schwarzen Augen gleichgültiger als Fragen nach objektiver Makellosigkeit und harmonischem Ebenmaß.
    Nur wenige Handbreit zwischen ihnen, er führt sie mit kraftvoller Sicherheit, ihre Füße bewegen sich automatisch, als wäre sie eine Puppe, die jemand aufgezogen hat. Kein Geheimnis, dass lateinamerikanische Tänze schlecht dazu taugen, aufkeimende Erregung zu stoppen. So lodert es in ihr und ihr Herz hört nicht auf zu rasen, als er sie loslässt, um sich dem nächsten Paar zuzuwenden. Lange her, dass sie ein Mann so angezogen hat. Ganze zwei Minuten Körperkontakt und sie ist nicht mehr sie selbst. Oder ganz sie selbst, wie immer man es nennen will. Es dauert ein wenig, bis ihr Verstand wieder einsetzt und sie eine alberne Göre schimpft. Der Tanzlehrer, lieber Himmel, abgeschmackter geht es wohl nicht.
    Bei der Salsastunde am Donnerstag ist es nicht besser, und sie ist froh über den Ausflug am Wochenende. Die Schule kooperiert mit einem tropischen Naturschutzprojekt, das sie besuchen werden, Sandra, Judy, Katy, Mike und sie. Zwei Nächte und Tage Ablenkung, Pause von den Wirren ihres Körpers, Erholung und Schwitzen im Grünen.  Ein Kleinbus-Taxi bringt sie zum Busbahnhof. Im Fußraum entdecken sie ein halbverhungertes Hundebaby, kaum größer als eine Honigmelone, hellbeige, mit überdimensional großen Schlappohren und dunkel glänzenden Knopfaugen. Der Fahrer grinst über das Entzücken und die Rührung seiner Fahrgäste.
    „Ich brauche ihn nicht, wollt ihr ihn haben?“, fragt er.  Meint er das ernst, erst sind sie nicht sicher, doch wo das Geld kaum für die Familie reicht, verwöhnt man keine Hunde, er nickt bekräftigend, „sí, sí, un regalo“, ein Geschenk.  Sie taufen den Kleinen „Taxi“ und schmuggeln ihn im Bus bis zu ihrem Ausflugsziel, das sich als eine Art Hippie-Kommune entpuppt oder das, was sich romantische Geister als solche ausmalen. Einige Bambushütten, zum Teil auf Bäumen, ein Plumpsklo und ein glasklarer See, in dem sie sich waschen werden, weil es keine Duschen gibt.
    Ein sanfter Ire, seine einheimische Frau und deren Bruder führen den Betrieb. Sie reagieren gelassen, als sie Taxi entdecken und die Geschichte hören, „kann gerne hierbleiben, kein Problem.“  Alle atmen auf, denn in der Zwischenzeit ist
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