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Die andere Haut: Roman (German Edition)

Die andere Haut: Roman (German Edition)

Titel: Die andere Haut: Roman (German Edition)
Autoren: Carmen Schnitzer
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Landesexperten mutiert.
    „Im Ernst?“ Lara liebt solchen Aberglauben. Wirft Münzen in berühmte Brunnen, bleibt in angekündigten Sternschnuppen-Nächten wach, um an den Himmel zu starren und blickt an weinseligen Abenden beim Anstoßen jedem in die Augen.  Doch Jan spielt den Zerknirschten. „Nicht wirklich. Ich hab’s erfunden. Tut mir leid.“ „Idiot!“ Sie lacht.  „Ab jetzt ist es einer. Ganz bestimmt. Wünsch dir was!“
    Sie blickt in das rauschende Wasser, spürt die spritzenden Tropfen im Gesicht und denkt nach.„Tust du’s auch?“, fragt sie. Er nickt. „Natürlich, was denkst du denn!“ Dann kneift er die Augen zusammen, atmet tief durch und lächelt nach einer Weile, als habe er endlich eine schwere Entscheidung gefällt. Anschließend blickt er auffordernd in Laras Richtung. „Okay, jetzt du!“ Sie tut es ihm gleich. Verwendet all ihre Energie auf diesen einen Gedanken, diesen einen Wunsch: „Glück.“ Danach schimpft sie sich wegen ihrer Vagheit einen Feigling, aber nur in Gedanken.
    Gemächlich kehren sie zurück in den Ort und lassen den Tag bei Wein und Pizza ausklingen. Sprechen über Wirklichkeit und Liebe.  „Wie echt sind deine Gefühle für David, wenn du jetzt hier bist, ohne ihn?“ fragt Jan.  „Wie echt? Sehr!“  „Viele würden dir nicht glauben.“  „Du?“  „Schon. Ich könnte das nur nicht. Bewusst hierher reisen, wo dein Herz für einen anderen schlägt.“  Sie denkt nach. „Es war mir nicht klar, wie sehr es das noch tut. Ricardo war in mir verschüttet. Aber selbst wenn es nun ist, wie es eben ist: Hältst du Exklusivität für ein Zeichen von Wahrhaftigkeit?“  „Beliebigkeit erst recht nicht.“  „Wo handle ich wahllos?“  Er seufzt.„Sorglos zumindest. Ich hoffe nur, du weißt, was du tust.“  „Na ja. Ich will halt leben. Schlimm?“  „Solange du den Preis dafür zahlst. Vielleicht täte dir ja gut, auch mal innezuhalten. Möglicherweise spürst du dann sogar mehr Leben als beim Herumrennen und Zusammenraffen vermeintlich wertvoller Momente.“  „Oh Gott, du klingst wie ein Tantralehrer. Oder meine Oma!“  „Tatsächlich?“ Er lacht. „Kluge Frau. Lebt sie noch? Nein? Na dann ... Vielleicht bin ich ihre Wiedergeburt!“  Sie grinsen einander an und laufen ohne Eile zu ihrer Pension zurück.
    Nachts weckt Lara das Geschrei eines Hahnes, alle paar Minuten dieses Krähen, zum Verrücktwerden laut. Sie blickt auf die Uhr, es ist halb drei. Im Halbdunkel sieht sie, dass auch Jan nicht mehr schlafen kann, seine Augen sind offen und glänzen im Fast-Vollmondlicht. Kurz wendet er seinen Kopf zur Seite und sieht sie an, sie lächeln ein wenig, dann streicht er ihr leicht über Wange und Augen. Es könnte romantisch sein, wäre draußen nicht dieser krähende Vogel, der den Moment ins Groteske zieht. Vielleicht besser so, denn sonst würde sie vermutlich weinen.
    Lara muss schließlich doch noch eingeschlafen sein, denn irgendwann wacht sie auf von plätscherndem Wasser und schiefen Melodien. Jan duscht und pfeift.„I’m singing in the rain“, das übergeht in „We will rock you“. Sie grinst noch, als er pudelnass aus dem Badezimmer platscht, ein himmelblaues Handtuch um die schmalen Hüften geknotet, genau in der Farbe seiner Augen. Für eine Sekunde ist sie verliebt und möchte ihm die Tropfen von der Haut küssen, aber der Moment vergeht.
    „Bist du fertig?“ fragt sie, und als er nickt, verschwindet sie im Badezimmer.
    Nicht wirklich ausgeruht verlassen Lara und Jan wenig später die Pension. Es ist noch früh am Morgen, dichter Nebel liegt über den sattgrünen Hügeln und Vulkanen, die das Städtchen umgeben. Der Weg ist nicht weit, doch sie lassen sich Zeit, gehen langsam den leichten Hang hinauf, freuen sich an violetten und blassrosa Blumen. Es nieselt etwas, und ihre Schuhe sind überzogen von schlammiger Erde, als sie ihr Ziel erreichen.
    Ein bisschen Platz in den Berg gehauen, ein paar Bassins aus Beton, eine kleine Snack-Bar. Keine ansprechende Architektur, und doch genießen sie die Atmosphäre, als sie schließlich im dampfenden Wasser sitzen, umnebelt von Schwefelgasen und eingelullt in die Ruhe des Morgens. Dunst und Hitze, kühler Regen im Gesicht.
    Lara schließt die Augen und fühlt sich wie betrunken, dann schleicht sich Ricardo wieder in ihre Gedanken. Beinahe meint sie, seinen Körper neben sich zu spüren. Im Traum nimmt sie seine Hand, umschlingen sich ihre Finger wie damals, in der Tanzstunde,
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