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Die alte Jungfer (German Edition)

Die alte Jungfer (German Edition)

Titel: Die alte Jungfer (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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daß er ihn am Tage der Rache unerbittlich machte. Madame du Bousquier erhielt den Befehl, niemals wieder den Fuß in dieses Haus zu setzen. In Wiedervergeltung des Streichs, den der Chevalier ihm gespielt hatte, ließ er in den ›Courrier de l'Orne‹, den er kurz vorher gegründet hatte, die folgende Anzeige einrücken:
    ›Diejenige Person, die die Existenz eines gewissen Monsieur de Pombreton vor, während oder nach der Emigration nachweisen kann, erhält eine jährliche Rente von tausend Francs.‹
    Obwohl die Ehe von Madame du Bousquier im wesentlichen negativer Natur war, erblickte sie darin doch Vorteile: war es nicht besser, für den bedeutendsten Mann der Stadt zu sorgen, als allein zu leben? Du Bousquier war immerhin den Hunden, Katzen, Zeisigen vorzuziehen, an die die alten Jungfern ihr Herz hängen; er brachte seiner Frau doch wenigstens ein reelleres und weniger eigennütziges Gefühl entgegen als die Dienstboten, die Beichtväter und die Erbschleicher. Späterhin sah sie in ihrem Mann das Werkzeug göttlichen Zornes, denn in ihrer Sehnsucht nach der Ehe erkannte sie unzählige Sünden; sie erhielt nun die gerechte Strafe für das Unglück Madame Gransons, das sie verschuldet hatte, und den vorzeitigen Tod ihres Onkels. Der Religion gehorsam, die befiehlt, die Rute zu küssen, die einen züchtigt, pries sie ihren Man und lobte ihn öffentlich, jedoch im Beichtstuhl oder des Abends beim Gebot weinte sie oft und flehte zu Gott um Vergebung für die Abtrünnigkeit ihres Mannes, der das Gegenteil von dem dachte, was er sagte, der der Aristokratie und der Kirche, den beiden Religionen des Hauses Cormon, den Tod wünschte. Alle ihre Gefühle waren zertreten und hingeopfert worden; doch die Pflicht zwang sie, ihrem Mann ein glückliches Los zu bereiten, ihm nichts in den Weg zu legen, und eine unerklärliche Zuneigung, die vielleicht die Gewohnheit gezeitigt hatte, band sie an ihn: so war ihr ganzes Leben zum dauernden Widersinn geworden. Sie hatte einen Mann geheiratet, dessen Führung und Gesinnungen ihr ein Greuel waren, um den sie jedoch in ständiger Sorgfalt bemüht sein sollte. Oft war sie im siebenten Himmel, wenn Du Bousquier ihr Eingemachtes oder das Essen schmeckte; sie wachte darüber, daß seine kleinsten Wünsche befriedigt wurden. Wenn er das Kreuzband seiner Zeitung auf dem Tisch liegen ließ, anstatt es wegzuwerfen, sagte sie: »Lassen Sie es, René, Monsieur hat es nicht ohne Absicht hingelegt!«
    Ging Du Bousquier auf Reisen, so kümmerte sie sich um seinen Mantel, seine Wäsche; sein materielles Wohlsein beschäftigte sie bis ins kleinste. Wenn er nach Le Prébaudet fuhr, studierte sie das Barometer schon am Abend vorher, um zu sehen, ob das Wetter schön würde. Sie suchte aus seinem Blick seinen Willen zu erraten, wie ein Hund, der auch im Schlaf seinen Herrn hört und sieht. Wenn der dicke Du Bousquier, von dieser befohlenen Liebe besiegt, sie um die Taille faßte, auf die Stirn küßte und sagte: »Du bist eine gute Frau!«, traten dem armen Geschöpf Freudentränen in die Augen. Vielleicht, daß sich Du Bousquier zu einer Entschädigung, die ihm die Achtung von Rose-Marie-Victoire verschaffen sollte, verpflichtet glaubte, denn die katholische Tugend befiehlt keine so vollkommene Verstellung, wie die von Madame du Bousquier war. Wenn aber die gottesfürchtige Frau manchmal die Reden mit anhörte, die haßerfüllte Leute, die sich hinter die konstitutionellen Meinungen versteckten, in ihrem Hause hielten, blieb sie stumm. Sie schauderte, wenn sie den Untergang der Kirche voraussah; manchmal wagte sie ein dummes Wort, eine Bemerkung, die Du Bousquier mit einem Blick entzweischnitt. Der Widerstreit einer derart hin und her gezerrten Existenz machte Madame du Bousquier schließlich ganz stumpfsinnig; sie fand es einfacher und würdiger, ihre Intelligenz ganz nach innen zu kehren, ohne Proben davon zu geben, und war es zufrieden, ein rein animalisches Dasein zu führen. Sie zeigte eine sklavische Unterwürfigkeit und hielt es für ein verdienstliches Werk, daß sie die Erniedrigung, in die ihr Mann sie versetzte, hinnahm. Der Gehorsam, den sie ihrem Mann leistete, entlockte ihr nie das geringste Murren. Dieses furchtsame Schaf wandelte fürderhin auf den Wegen, die der Hirte ihm vorzeichnete. Sie verließ nicht mehr den Schoß der Kirche, widmete sich ganz den strengsten religiösen Übungen und entsagte Satan und seinen weltlichen Freuden und Werken. So bot sie die Vereinigung der reinsten
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