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Die alte Jungfer (German Edition)

Die alte Jungfer (German Edition)

Titel: Die alte Jungfer (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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was man die moderne Zivilisation nennt, verbinden wird. Alençon, das im Jahre 1816 keine zwei eigenen Wagen besaß, sah zehn Jahre später, ohne sich darüber zu verwundern, Kaleschen, Coupés, Landauer, Kabrioletts und Tilburys durch seine Straßen rollen. Die Bürger und Grundbesitzer, die zuerst voll Schrecken darüber waren, daß die Preise in die Höhe gingen, sahen später ein, daß diese Preiserhöhung eine finanzielle Rückwirkung in ihren Einkünften hatte. Das prophetische Wort des Präsidenten Du Ronceret: »Du Bousquier ist ein Mann von Bedeutung!« wurde von der ganzen Gegend übernommen. Aber unglücklicherweise hat dieser Satz für seine Frau eine schreckliche Kehrseite. Der Ehemann gleicht in nichts dem Mann der Öffentlichkeit, dem Politiker. Dieser treffliche Bürger, so liberal nach außen, so gutmütig, von soviel Liebe für sein Land beseelt, ist zu Hause ein Despot und ohne Spur von ehelicher Liebe. Dieser so tief verschlagene, heuchlerische und schlaue Mann, dieser Cromwell des Val-Noble, benimmt sich in seinem Hause, wie er sich gegen die Aristokratie benahm, die er liebkoste, um sie zu erdrosseln. Wie sein Freund Bernadotte zog er einen samtenen Handschuh über seine Hand aus Eisen. Seine Frau schenkte ihm keine Kinder. Die Aussage Suzannes, die Andeutungen des Chevaliers trafen also zu. Aber die liberale Bourgeoisie, die konstitutionell royalistische Bourgeoisie, der Landadel, die Stadtverwaltung und die »Priesterpartei, wie sie der ›Constutionnel‹ nannte, gaben Madame du Bousquier die Schuld. »Monsieur du Bousquier habe sie geheiratet, als sie schon zu alt war!« sagte man. Außerdem, welch Glück für die Arme, denn in ihrem Alter ist es so gefährlich, Kinder zu bekommen! Wenn Madame du Bousquier unter Tränen Madame Coudrai oder Madame du Ronceret ihre periodische Bekümmernis klagte, sagten diese Damen: »Was fällt Ihnen ein, meine Liebe, Sie wissen nicht, was Sie wünschen; ein Kind wäre Ihr Tod!«
    Viele Männer, die wie Coudrai ihre Hoffnungen auf den Sieg Du Bousquiers setzten, ließen durch ihre Frauen sein Lob verkünden. Man versetzte der armen Person so grausame Reden wie: »Sie können von Glück sagen, daß Sie einen so tüchtigen Mann bekommen haben! Ihnen wird es nicht so gehen wie andern Frauen, die Waschlappen zu Männern haben, unfähig, ihre Interessen wahrzunehmen und die Kinder anzuleiten.«
    »Ihr Mann macht Sie zur ersten Frau des Landes! Mit dem sind Sie nicht angeführt: der regiert ganz Alençon.«
    »Aber es wäre mir lieber«, erwiderte die arme Madame, »daß er sich weniger um die öffentlichen Angelegenheiten kümmerte und ...«
    »Sie sind schwer zu befriedigen, liebe Madame du Bousquier, alle Frauen beneiden Sie um Ihren Mann.«
    So von aller Welt falsch beurteilt, die anfing, sie ins Unrecht zu setzen, fand sie, als Christin, in ihrem Innern die Kraft, ihre Tugenden zu entfalten. Sie verbrachte ihr Leben in Tränen und zeigte der Welt stets eine ruhige Außenseite.
    War es für ein frommes Gemüt nicht ein Verbrechen daß ihr der Gedanke fortwährend das Herz zernagte: ›Ich liebte den Chevalier de Valois, und ich bin die Frau Du Bousquier!‹ Die Liebe von Athanase bereitete ihr auch Gewissensbisse und verfolgte sie in ihren Träumen. Der Tod ihres Onkels, dessen Besorgnisse zur Wahrheit geworden waren, machte ihr die Zukunft noch trüber, denn sie mußte immer denken, welcher Kummer es für ihren Onkel gewesen wäre, den Umschwung der politischen und religiösen Überzeugung des Hauses Cormon zu sehen. Oft bricht das Unglück mit der Geschwindigkeit des Blitzes herein wie bei Madame Granson; bei der alten Jungfer breitete es sich wie ein Tropfen Öl aus, der langsam den ganzen Stoff durchtränkt.
    Der Chevalier de Valois war der arglistige Schmied des Unglücks der Madame du Bousquier. Es lag ihm am Herzen, ihr die Schuppen von den Augen fallen zu lassen; denn der in Liebesdingen so erfahrene Chevalier durchschaute den verheirateten Du Bousquier, wie er den Junggesellen durchschaut hatte. Doch der tiefgründige Republikaner war nicht so leicht zu fassen: sein Salon war dem Chevalier de Valois natürlich verschlossen, wie all denen, welche in den ersten Tagen seiner Ehe das Haus Cormon verleugnet hatten. Überdies war er über die Lächerlichkeit erhaben, er besaß ein ungeheures Vermögen, er herrschte in Alençon, seine Frau kümmerte ihn gerade so viel, wie es Richard III. gekümmert hätte, das Pferd krepieren zu sehen, mit dessen Hilfe er
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