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Die alte Jungfer (German Edition)

Die alte Jungfer (German Edition)

Titel: Die alte Jungfer (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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Unglück? Ist es nicht vielmehr ein Glück, das Sie sich eines Tages teuer erkaufen würden? Für wen sorgen Sie? Für wen arbeiten Sie?« – »Für mich!« rief Du Bousquier brutal.
    »Altes Ungeheuer, Sie werden niemals Vater sein!« rief Suzanne im Ton einer dunklen Prophezeiung.
    »Was soll das heißen? Keine Dummheiten, Suzanne; ich glaube noch zu träumen.«
    »Aber welchen Beweis brauchen Sie denn?« rief Suzanne und erhob sich.
    Du Bousquier schob seine baumwollene Nachtmütze auf seinem Kopf mit einer Energie hin und her, die bewies, daß eine wunderbare Klarheit in seinen Gedanken aufdämmerte. ›Er glaubt es wahrhaftig!‹ sagte Suzanne zu sich selbst, ›und es schmeichelt ihm. Mein Gott, wie leicht doch diese Männer auf alles hereinfallen‹.
    »Suzanne, was zum Teufel soll ich tun? Es ist so merkwürdig ... Ich, der ich glaubte ... Es steht nämlich so, daß ... Doch nein, nein, es kann ja nicht sein ...«
    »Was, Sie können mich nicht heiraten?« – »Oh, was das angeht, keineswegs! Ich habe Verpflichtungen.« – »So? Gegenüber Mademoiselle Armande oder gegenüber Mademoiselle Cormon, die Ihnen beide schon einen Korb gegeben haben? Hören Sie, Monsieur du Bousquier, meine Ehre hat keine Gendarmen nötig, Sie nach dem Standesamt zu schleppen. Es wird mir nicht an solchen fehlen, die mich heiraten wollen, und ich will keinen Mann, der mich nicht zu schätzen weiß. Eines Tages möchten Sie es bereuen, daß sie sich heute so zeigen, denn nichts in der Welt, kein Gold noch Geld, wird mich dazu bringen, Ihnen Ihr Gut wiederzugeben, wenn Sie es heute ausschlagen.«
    »Aber, Suzanne, bist du sicher? ...« – »Aber Monsieur!« brauste das Wäschermädchen, in ihre Tugend gehüllt, auf. »Wofür halten Sie mich? Ich erinnere Sie nicht an die Versprechungen, die Sie mir gemacht haben und die ein armes Mädchen, das sich nichts anderes vorzuwerfen hat, als daß ihr Ehrgeiz so groß ist wie ihre Liebe, ins Verderben gestürzt haben.«
    Du Bousquier war von tausend widerstreitenden Gefühlen, der Freude, des Mißtrauens, der Berechnung, bestürmt. Er hatte seit langem beschlossen, Mademoiselle Cormon zu heiraten, denn die Charta, auf die er spekulierte, eröffnete seinem Ehrgeiz die glänzende Laufbahn eines Abgeordneten. Seine Heirat mit der alten Jungfer würde ihn bei der Stadt so hoch zu Ansehen bringen, daß er einen großen Einfluß erlangen würde. So stürzte ihn das von der boshaften Suzanne heraufbeschworene Gewitter in große Verwirrung. Ohne jene heimliche Hoffnung hätte er Suzanne ohne weitere Überlegung geheiratet. Er hätte sich offen an die Spitze der liberalen Partei von Alençon gestellt. Nach einer solchen Heirat verzichtete er auf die obere Gesellschaft und fiel in die bürgerliche Klasse der Kaufleute, der reichen Fabrikanten, der Viehmäster zurück, die ihn im Triumph als ihren Kandidaten aufstellen würden. Du Bousquier sah schon im Geiste die Linke. Er verbarg keineswegs dies feierliche innere Zurategehen. Er fuhr sich mit der Hand über den Kopf und ließ seinen unbedeckten Schädel sehen, denn die Mütze war herabgefallen. Wie alle, die über das Ziel hinausgehen und mehr finden, als sie erwartet haben, war Suzanne wie aus den Wolken gefallen. Um ihr Erstaunen zu verbergen, nahm sie die melancholische Pose eines mißbrauchten Mädchens vor seinem Verführer an; aber innerlich lachte sie wie ein geriebenes Frauenzimmer, das ein schlaues Spiel gewinnt.
    »Mein liebes Kind, ich lasse mich nicht auf solche Aufschneidereien ein!«
    Dies war der kurze Satz, mit dem der ehemalige Lieferant seine innere Beratung schloß. Du Bousquier bildete sich etwas darauf ein, zur Schule der kynischen Philosophen zu gehören, die nicht auf die Frauen ›hereinfallen‹ wollen und für die alle derselben ›verdächtigen‹ Klasse angehören. Diese starken Köpfe, die gewöhnlich schwache Männer sind, haben einen Katechismus für den Gebrauch der Frau. Für sie sind alle, von der Königin von Frankreich bis zur Modistin, durchaus leichtfertig, spitzbübisch, mörderisch, sogar ein wenig betrügerisch, von Grund aus lügenhaft und unfähig, anderes als Nichtigkeiten zu denken. Für sie sind die Frauen heimtückische Bajaderen, die man tanzen, lachen und singen lassen muß; sie sehen in ihnen nichts Großes und Heiliges; sie kennen nicht die Poesie der Sinne, nur die grobe Sinnlichkeit. Sie sind wie die Fresser, die die Küche für den Speisesaal halten. Nach diesen Rechtsgrundsätzen erniedrigt die
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