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Die Alpen

Titel: Die Alpen
Autoren: Albrecht von Haller
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Tugend;
Der Wollust sanfte Glut wärmt ihr die Adern auf,
Kein Einfall von Vernunft hemmt ihrer Lüste Lauf.
Wann mit den Jahren nun auch das Erkenntnis reifet
Und der gesetzte Sinn sich endlich selbst begreifet,
Wann Tugend und Vernunft am Steuer sollten sein,
Nimmt erst die Eitelkeit die Seele völlig ein.
Da sinnt ein kluger Mann in durchgewachten Nächten
Bald das, bald jenes Amt mit Schmeicheln zu erfechten.
So führet ihn die Zeit von Ehr auf Ehre hin,
Zu hoch für seine Ruh, zu tief für seinen Sinn,
Bis daß das Alter ihn mit schweren Armen fasset,
Sein Rücken vor sich fällt, sein hohl Gesicht erblasset;
Sein Herz pocht schon verwirrt, sein trübes Auge bricht,
Der Lebens-Purpur stockt und jeder Saft wird dicht;
Er stirbt, den Titel wird ein Stein der Nachwelt nennen,
Sich hat er nie gekennt und nie begehrt zu kennen;
Sein Leib verfällt in Staub, sein Blut verfliegt in Rauch;
So stirbt ein großer Mann, so sterben Sklaven auch.
O Gott, der uns beseelt! wem gibst du deine Gaben?
Der Mensch gebraucht sie nicht, er schämt sich, sie zu haben!
    Wir sind, und jeder ist sich gnug davon bewußt,
Ein unleugbar Gefühl bezeugts in unsrer Brust.
Allein woher wir sind, und was wir werden sollen,
Hat der, der uns erschuf, nur Weisen zeigen wollen.
Hier spannt, o Sterbliche, der Seele Sehnen an,
Wo Wissen ewig nutzt und Irren schaden kann!
Doch, ach! ihr seid gewohnt, an, was ihr seht, zu denken,
Und was ihr noch nicht fühlt, lohnt nicht, euch drum zu kränken;
Tut jemand in sich selbst aus Vorwitz einen Blick,
So schielt er nur dahin und zieht sich gleich zurück;
Und wer aus steifem Sinn, mit Schwermut wohl bewehret,
Sein forschend Denken ganz in diese Tiefen kehret,
Findt oft für wahres Licht und immer helle Lust
Nur Zweifel in den Kopf und Messer in die Brust.
    Doch weil der Stolz sich schämt, wann wir nicht alles wissen,
Hat der verwegne Mensch auch hier urteilen müssen.
Er hat, weil die Vernunft ihn nur zu zweifeln lehrt,
Sich selbst geoffenbart und seinen Traum verehrt.
    Zwei Glauben hat die Welt hierin sich längst erwählet, Eine Satire ist nicht so sittsam als eine moralische Rede. Ich habe hier bloß die schlimme Seite der Menschen betrachtet, die leider auch bei weitem die größre ist. Die meisten Völker leben wirklich unter dem Joch des Aberglaubens; sie denken entweder gar nicht an die Ewigkeit, oder sie hoffen durch bloße gesetzliche Zeremonien oder durch theoretische Wahrheiten, ohne die Änderung des Willens, sich mit Gott zu versöhnen. Dieses ist das Wesentliche des Aberglaubens. Andre wenigere sind ungläubig und leugnen entweder die Ewigkeit der Seele und die strafende Gerechtigkeit Gottes oder wohl gar das wirkliche Dasein eines obersten Wesens.
Da jeder viel verspricht und jeder weit verfehlet.
Dem einen dienet jetzt das menschliche Geschlecht,
Der Erdkreis ist sein Reich und wer drauf wohnt sein Knecht,
Vor seinen Infuln muß der Fürsten-Stab sich legen,
Für ihn treibt man den Pflug, für ihn zieht man den Degen,
Betrug hat ihn erzeugt und Einfalt groß gemacht,
Er ist das Joch der Welt und schlauer Priester Pacht.
Wer diesen Glauben wählt, hat die Vernunft verschworen,
Dem Denken abgesagt, sein Eigentum verloren,
Er glaubet, was sein Fürst, und glaubts, weil der es glaubt,
Er kniet, wann jener kniet, und raubt, wann jener raubt;
Er weiß, soviel er hört und seine Priester leiden;
Zahlt heilig Gaukelspiel mit seinem Gut mit Freuden,
Tauscht, was er itzt besitzt, für Schätze jener Welt
Und schätzt sich seliger, je minder er behält;
Soviel der Priester will und die geweihten Blätter, Die Oljes der Malabaren oder ihre beschriebenen Palmenblätter, worauf ihre mythologischen Poesien geschrieben sind.
So vielmal teilt er Gott, so viel verehrt er Götter;
Und fähret, wann er stirbt, wohin sein Priester sagt,
Ist selig auf sein Wort, und, wann er will, geplagt.
 
    So ists, der Menschen Sinn, durch eiteln Stolz erhöhet,
Verachtet die Natur, lobt nie, was er verstehet;
Der Tag gefällt ihm nicht; wie eines Luft-Lichts Pracht,
Der Gottheit Merkmal heißt, was ihn erstaunen macht.
Das rollende Geknall von Schwefel-reichen Dämpfen,
Die mit dem feuchten Dunst geschloßner Wolken kämpfen,
Verrückte gleich ihr Hirn, sie dachten: was uns schreckt,
Ist mächtiger als wir; so ward ein Gott entdeckt.
Der Sonne blendend Licht und immer gleich Bewegen,
Ihr alles schwängernd Feur, der Quell von unserm Segen,
Schien würdig gnug zu sein vor Weihrauch und Altar,
Man fand was Göttliches, wo so
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