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Die Aldi-Welt

Die Aldi-Welt

Titel: Die Aldi-Welt
Autoren: Hannes Hintermeier
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»Die Herren möchten das nicht.« – Eine Etage weiter, im Sekretariat verschärft sich der Ton (der in der Zentrale neutral bis freundlich war). Die dortige Dame, jünger und ehrgeiziger, schnarrt routiniert: »Es gibt keine Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.« Telefonisch schon gar nicht. Ein Fax könne man schicken. Mit schriftlichen Fragen. Ende der Durchsage. Ein Fax wurde geschickt. Einige Tage später kam ein Brief. Absender Theo Albrecht sen. Mitglied des Verwaltungsrates der Aldi GmbH & Co KG. »Wie Sie schon wissen«, schreibt der Seniorchef, »veröffentlichen wir über unser Unternehmen keine Daten und machen auch sonst keine Angaben. Aus grundsätzlichen Erwägungen kann ich in Ihrem Fall auch nicht davon abweichen.« Daß die alte Postleitzahl 4300 für Essen mit Schreibmaschine ausgeixt und durch die neue, seit Juli 1993 gültige ersetzt wurde, bevor der Briefbogen in den Drucker gelegt wurde, ist eine andere Geschichte.

Die Welt als Aldi und Vorstellung (I)
     
     
     
    Ich bin verloren – denkt der Käufer, als er in einem Universum bunter Schachteln zu sich kommt. Sein Blick taumelt zur Decke, einem Geflecht aus weißen Quadraten, Mineralfaserplatten Odenwald, kein Hinweis. Eben war er noch in der Sicherheit seines Wagens gesessen. Abgebogen von der Umgehungsstraße, verkehrsgünstig angebunden, wie man so sagt, stand sie da, die nichtssagende Waschbetonschachtel. Keine Message, keine flatternden Fahnen, keine kilometerlangen Betonwände mit Riesenschriftzug, kein Leuchtmast, der ein »A« getragen hätte. Nur das stinknormale Grün-kaputt, die Versiegelung der Industriebrache, Gewerbegebiet. Die Architektur reduziert auf die Null-Semantik: Nichts, was anlocken würde; keine Geste, die besagt: Ein Eintreten unter mein Dach lohnt sich. Er hatte krampfhaft ein Markstück gesucht, als er über den Parkplatz auf den Unterstand mit dem metallischen Gitterwurm zusteuerte. Eine Mark, um den Einkaufswagen zu entriegeln. Eine Mark, um hineinzukommen mit einem Gefäß, das die Ware aufnehmen kann. Eine Mark nur, verflucht noch mal, ich hatte sie zu Hause doch extra eingesteckt. Da endlich, da war sie gewesen. Er hatte sie aus der Hosentasche gefischt, zusammen mit dem Einkaufszettel. Immer steckt sie irgendwo, aber niemals da, wo man gedacht hat. Einkaufswagen, niemals ohne Einkaufswagen. Immer nimmt er mehr mit, als er auf dem Zettel stehen hat. Immer gibt es Unvermutetes, Brauchbares, überaus Nützliches, Superpreiswertes. Gitter in Gitter geschoben, Plastikpürzel auf der Lenkstange. War da nicht mal was mit Möllemann gewesen? Die Pfandkästchenaffäre? So wie die Süssmuth nicht über die Dienstwagen- und Dienstflugaffäre gestolpert ist, mußte Möllemann, dieser schnauzbärtige Treibauf, seinen Hut nehmen. Endlich mußte mal einer gehen. Bleiben viel zu viele, tritt ja keiner mehr zurück. Müssen ja bleiben, denkt er, haben ja nichts anderes gelernt. Berufspolitiker. Funktionärsgelaber. Spricht am um über den Euro und seine Bedeutung für Aldi. Bestimmt nicht. Jedenfalls mußte Mölle damals – Briefbogenaffäre, das war’s. Eigentlich ärgerlich, daß man immer wieder Möllemann denkt, bloß weil man eine Mark in so einen Plastikschlitz schiebt. Also los jetzt, den Wagen entriegelt, mit einem Ruck herausgerissen, ein Wunder wäre es, wenn er nicht klemmte, heraus aus dem ineinander gekeilten Gliederwurm, den Kopf noch einmal nach vorne gereckt und stracks auf die Tür zu, die mit einem Summen nach innen aufschwingt.
    Aus dem Augenwinkel das Schild betrachtet: Wir müssen draußen bleiben. Kein Punkt, aber dennoch ein Befehl. Wir, das ist ein Deutscher Schäferhund in Sitzstellung. Alle anderen Lebensmittelläden haben irgendwelche trutschig-possierlichen Pudel auf dem Befehlsschild. Der deutsche Spitzendiscounter einen deutschen Schäfer. Vollschäfer. »Er ist ein echter Urenkel vom Adolf Hitler sein Hund«, heißt das bei Gerhard Polt. Wer ist mit diesem »Wir« gemeint? Der Chefarztplural (das Gegenstück zum Dienstboten-Du mancher jovialer Vorgesetzter: Sachma-machma-kannse-mal-sehen.): Wie geht’s uns denn heute? Wir sehen ja schon viel besser aus. Als wüßten die Hunde, daß sie hier nicht erwünscht sind, sieht man selten einen in Wartestellung vor dem Aldi. Da geht die Tür auf, von elektrischer Hand bewegt, die Lichtschranke meldet mit seelenloser Akribie: Kunde, hopphopp, hinein. Schwenk auf Marsch Marsch! Innentür passieren. Aufgesogen, eingeatmet.
    Da ist er, der Geruch. Wie
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