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Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin

Titel: Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin
Autoren: Kai Meyer
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gebietet. Eine Platte, auf der Christophers Name steht. Er wird es sein, der die Unsterblichkeit bezwingt. Er ganz allein.
    Sylvette kam schließlich zurück und teilte ihr ihre Entscheidung mit.
    Am Morgen sattelten sie gemeinsam ihre Pferde, und Marie geleitete die beiden Schwestern durch die grünen Täler Swanetiens zurück zum Schwarzen Meer.

EPILOG
    Das Echo vergangener Gewitter hing in der Luft, jener eigenartige, für den Norden so typische Wechsel von atemloser Stille und unberechenbarer Tobsucht der Elemente. In einem Augenblick tanzten Windböen über die Gräser der weiten Ebene, im nächsten versank die Landschaft in andachtsvoller Stille.
    Zum ersten Mal erlebte Aura, daß die Magie der Moorwiesen ihr den Atem verschlug. Während die Kutsche dem weißgelben Wall der Dünen entgegenschaukelte, stob im Osten ein Vogelschwarm auf, ein düsterer Schwall, der sich am Himmel verlor, als entziehe die Natur dem Land einen Schatten, den eine vorbeieilende Wolke versehentlich in der menschenfeindlichen Leere verloren hatte.
    Der Horizont schien sich zu verschieben, weiter und weiter fortzurücken, wie eine Luftspiegelung. Aura wußte, daß es nur ihre Ungeduld war, die die Entfernung in die Länge zog. Das Gefühl, endlich wieder nach Hause zu kommen, war herrlich und verstörend zugleich; verstörend wegen der Ungewißheit, was sie dort erwarten würde.
    Vom Kutscher hatten sie und Sylvette erfahren, daß es in den vergangenen Wochen zu allerlei Seltsamkeiten im Schloß gekommen war. Erst habe die Herrin die gesamte Dienerschaft entlassen; dann sei ein sonderbarer alter Mann aufgetaucht, der den Arzt zum Strand rief, wo ein anderer alter Mann verletzt an Bord eines Ruderbootes lag; bald darauf habe sich herumgesprochen, daß Charlotte Institoris von schwerer Krankheit gezeichnet sei, erblindet und ans Bett gefesselt; und zugleich seien mit Ausnahme Jakobs alle Diener wieder eingestellt worden, von einem Mann, der offenbar das Vertrauen der Schloßherrin besaß und in ihrem Namen handelte. Aura wollte sich den Mann beschreiben lassen, doch der Kutscher wußte wenig über sein Äußeres, hatte ihn selbst nie gesehen.
    Ob er etwas über das Befinden der Kinder gehört habe, fragte sie besorgt, worauf der Kutscher zu ihrer Erleichterung erklärte, er habe in der Schänke reden hören, daß der Dorflehrer wieder seine täglichen Überfahrten zum Schloß angetreten habe; demnach müsse mit den Kindern wohl alles in Ordnung sein. Überhaupt seien die beiden ja für einige Zeit fort gewesen und erst vor neun oder zehn Tagen zurückgekehrt. Sein Schwager habe die Fuhre zum Schloß erledigt, erzählte der Kutscher redselig, und dabei hätten die Kleinen einen fröhlichen, sogar ausgelassenen Eindruck gemacht. Der Mann, der die Geschäfte auf der Insel übernommen habe, sei bei ihnen gewesen.
    Aura und Sylvette warfen sich einen Blick zu. Wer immer der geheimnisvolle Fremde war, mit Gian und Tess schien er es zumindest gut zu meinen.
    Und Morgantus?
    Endlich rückte der Sandwall jenseits des Graslandes näher, und als sie ihn schließlich passierten, breitete sich vor ihnen das sanft gewellte Dünenmeer aus. Ein letzter Sandhügel versperrte ihnen die Sicht aufs Schloß.
    »Liebe Güte!« rief Sylvette plötzlich aus. »Kutscher, halten Sie an!«
    »Was ist los?« fragte Aura alarmiert. Sie suchte im Gesicht ihrer Schwester nach einer Antwort, nicht auf den Dünen, und so blieb sie im Ungewissen, bis Sylvette den Arm ausstreckte und rief: »Sieh doch, da oben!« Und im selben Augenblick sprang sie bereits vom ausrollenden Wagen und landete stolpernd im Sand.
    Über der verwehten Düne waren zwei dunkle Punkte erschienen. Jetzt wuchsen sie empor, zwei kleine Körper kamen zum Vorschein, stürmten über die Kuppe hinweg und den Hang hinab. Tess trug ein weißes Kleidchen, Gian seine durchgescheuerte Lieblingshose – er zog sie jeden Tag an, wenn niemand darauf achtgab.
    Sylvette eilte Tess entgegen, kämpfte gegen weiche Sandverwerfungen an, rief jubelnd den Namen ihrer Tochter. Und Tess strahlte vor Glück, als Sylvette sie in die Arme nahm.
    Auch Aura war vom Wagen gesprungen, stimmte in Gians Gelächter ein und drückte ihn so fest sie nur konnte an sich, während der Kutscher dasaß, Kautabak kaute und das unverhoffte Wiedersehen mit gutmütigem Lächeln beobachtete.
    Aura hob Gian in die Luft, drehte sich mit ihm um die eigene Achse, preßte sein Gesicht an ihre Schulter und fühlte seine warmen Tränen an ihrem Hals.
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