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Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)

Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)
Autoren: Heike Koschyk
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nicht gegessen.«
    »Dann musst du dich bis zur Sext gedulden.« Die Nonne runzelte die Stirn. »Ist denn niemand da, der dich einweist?«
    »Nein. Schwester Ida hat mir nur meine Zelle zugewiesen.«
    »Schwester Ida!« Die Nonne lächelte mit erhobener Braue, aber es war ein freundliches Lächeln, das viele kleine Fältchen um ihre Augen warf. »Dann werde ich mich um dich kümmern. Ich bin Schwester Margarete. Schwester Elisabeth war für die Einweisung der Anwärterinnen zuständig, sie beaufsichtigte auch die Novizinnen. Aber nun …«
    Elysa wartete auf eine Erklärung, doch Margaretes eben noch lächelndes Gesicht schien in schweren Gedanken entrückt.
    »Was ist mit der Abteikirche passiert?«, fragte Elysa und zeigte zum Dach des Seitenschiffes.
    »Eine Feuersbrunst«, flüsterte Margarete, dann war sie wieder bei sich. »Beim Herrn, es wird Zeit. Komm, schnell! Die Priorin weiß jeden Verstoß gegen die Gottesdienstordnung streng zu ahnden.« Dann eilte sie gedankenverloren zum Portal des Seitenschiffs. Elysa folgte ihr.
    Während sich die anderen Nonnen auf den Gottesdienst konzentrierten, wurden Elysas Augen schwer. Sie setzte sich gerade auf, um nicht augenblicklich einzuschlafen, und versuchte, ihre Gedanken zu sammeln. Wo sollte sie mit ihrer Untersuchung beginnen? Was konnte Clemens von Hagen ihr noch zu den Vorfällen erzählen?
    Sie sehnte sich danach, mit ihm zu sprechen, doch sie vermochte ihn nirgends zu entdecken, auch nicht im Querschiff des von Kerzen erleuchteten Chorraumes. Sie würde sich noch ein wenig gedulden müssen. Also lauschte Elysa den Psalmen, während ihre Lider erneut herabsanken.
    Ein heftiger Regen ließ Elysa aufschrecken, er stürzte prasselnddurch das zerstörte Dach des südlichen Seitenschiffes und bildete große Lachen, die sich rasch über den Fußboden verteilten und bis an das hintere Chorgestühl reichten, wo Margarete ihr einen Platz zugewiesen hatte.
    Einige der Nonnen sahen sich leise flüsternd um, bis die blinde Ida laut vernehmlich hüstelte und alle sich wieder der Lesung zuwandten.
    Leise stand Elysa auf und trat aus dem durch einen hohen Transversalbogen abgetrennten Chorraum ins Langhaus. Während die Nonnen ihren Gesang anstimmten, betrachtete sie das verkohlte Dachgestühl des schmalen Seitenschiffes, von dem nun das Wasser herabfloss. Das Feuer hatte vor allem im Bereich des Daches gewütet und das kostbare Glas der Fenster oberhalb der Arkaden zerstört, ohne jedoch ins Mittelschiff einzudringen. Es schien sich auf den höheren Bereich beschränkt zu haben, denn die unteren Altarnischen, deren Bilder man wohl aus Schutz vor dem Wasser abgehängt hatte, waren nahezu unberührt. Wie war das Feuer dort hingekommen, und wo war sein Ursprung?
    Der Gesang der Nonnen wurde lauter, mischte sich mit dem Plätschern des nachlassenden Regens und füllte die Kirche mit herrlichen Sequenzen. Für einen Moment hielt Elysa inne und blickte zurück zu den Schwestern, die entrückt und gleichsam ergriffen eine Musik intonierten, die sie so noch nie gehört hatte. In diesem Augenblick spürte sie, dass es einen Gott gab. Er war hier, in dieser Kirche, trat aus den Sphären himmlischen Gesanges und durchdrang ihre Seelen. Und obgleich Elysa hin und wieder bezweifelte, dass die Vorgänge von Menschenhand gelenkt worden waren, spürte sie, dass es an einem solchen Ort keinen Teufel geben konnte.
    Dann war es still. Elysa wandte sich wieder dem zerstörten Dachstuhl zu. Regentropfen fielen in ihr Gesicht, als sie sich unter das klaffende Loch stellte und mit den Augen die Höhe maß.Selbst für einen sehr großen Mann waren die Balken zu hoch, es gab niemanden, der mit ausgestrecktem Arm das trockene Holz hätte zünden können. Es sei denn …
    »Furchtbar, nicht wahr?«
    Elysa schrak zusammen. Sie hatte Margarete nicht kommen hören. Erstaunt drehte sie sich um. Das Schlussgebet war verklungen, Nonnen und Novizinnen befanden sich bereits auf dem Weg zum Westportal.
    »Lass uns gehen«, sagte Margarete. »Ich möchte sehen, ob du für die Handarbeit begabt bist.«
    »Warte!« Elysa sah sie flehend an. »Erzähl mir, was vorgefallen ist.«
    Margarete seufzte. »Ich sehe ein, dass du ein Anrecht auf eine Erklärung hast. Nun, da dieser unselige Ort deine Heimat werden soll.« Sie sah sich hastig um, dann fuhr sie fort. »Nachdem Mönch Adalbert von Zwiefalten bei uns Zuflucht gesucht hatte, passierten seltsame Dinge. Die Schwestern sprechen von Teufelswerk …«
    »Was für
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