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Die Akte Golgatha

Die Akte Golgatha

Titel: Die Akte Golgatha
Autoren: Philipp Vandenberg
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Prasskov vorhatte, und ließ es willenlos geschehen, als der ihn, er trug noch immer die weiße Kleidung des Ordens, am Kragen packte und ausrief: »Das ist für das elende Schwein!«
    Gropius spürte einen Faustschlag gegen die Kinnspitze, er strauchelte und verlor für einen Augenblick das Bewusstsein, doch als er rückwärts auf das eiskalte Wasser aufschlug, kam er schnell wieder zu sich.
    Die Motoren brüllten, und das Boot setzte seine Fahrt fort in Richtung Küste.
    Gropius war kein schlechter Schwimmer, aber der Wellengang und das eiskalte Wasser machten ihm zu schaffen. Spontan wollte er sich seiner Kleidung entledigen, da kam ihm zu Bewusstsein, dass er nackt nicht die beste Figur abgeben würde, wenn er aus dem Wasser stieg. Also schwamm er mit seiner Kleidung auf die Küste zu.
    Etwa auf halbem Weg näherte sich von Osten ein Fischerboot, das ihn aufnahm. Der Skipper, ein alter Katalane, der nur ein paar Brocken Englisch sprach, überließ ihm sein Mobiltelefon, und Gropius wählte Francescas Nummer.
    »Wo bist du?«, fragte Francesca aufgelöst. »Ich habe die ganze Nacht kein Auge zugetan und wollte gerade zur Polizei gehen.«
    »Nicht nötig«, antwortete er, »es genügt, wenn du mich im Yachthafen mit trockenen Kleidern abholst. Ein Fischer hat mich gerade aus dem Meer gezogen.«
    Nach einer Schrecksekunde sagte Francesca: »Ich komme sofort. Gregor, ist alles in Ordnung?«
    Gropius lachte laut, ja, er lachte so, dass der Fischer ihm einen besorgten Blick zuwarf. »Ja, alles in Ordnung«, erwiderte er.

K APITEL 18
    S ie waren erst spätnachts mit der letzten Maschine aus Barcelona nach München zurückgekehrt und erschöpft ins Bett gefallen. Jetzt, es ging schon auf Mittag zu, saßen sie am Frühstückstisch, und Gropius sichtete die Post, die sich in seiner Abwesenheit angesammelt hatte.
    »Kann mir auch nach drei Wochen Urlaub nicht passieren«, meinte Francesca, während sie ihm zusah, »nur wichtige Leute bekommen so viel Post. Ich denke …«
    »Was denkst du?«
    »Nun ja, es muss doch schön sein, so viele Briefe zu erhalten, Mitteilungen von wichtigen Leuten, Einladungen zu verschiedenen Anlässen.«
    »Rechnungen und Reklame!«, unterbrach sie Gregor. »Das meiste taugt nur für den Papierkorb.« Sie lachten.
    Die letzten Tage hatten sie zusammengeschweißt.
    Sein Herz war ein verdammt träger Muskel, dachte Gropius, aber letztendlich wusste er längst, dass Francesca für ihn die richtige Frau war.
    Nach den Schreckenserlebnissen in Barcelona wollten sie erst einmal für ein paar Tage in die Berge fahren, um in einem Hotel auszuspannen, bevor Gropius einen endgültigen Entschluss über sein weiteres Vorgehen fasste. Francesca hatte angekündigt, sie werde ihn in nächster Zeit nicht aus den Augen lassen, und Gregor sah darin alles andere als eine Drohung.
    Während er seine Post sortierte, hielt Gropius plötzlich inne.
    Francesca sah sein angespanntes Gesicht und erkundigte sich vorsichtig: »Ist es etwas Ernstes?«
    Gregor zögerte, dann reichte er Francesca eine Karte, die er soeben aus einem Umschlag gezogen hatte.
    Francesca las halblaut: »Dr. Anatol Rauthmann und Felicia Schlesinger bitten anlässlich ihrer Verlobung zu einem Empfang am zehnten März im Hotel ›Vier Jahreszeiten‹.«
    »Kommt etwas unerwartet«, brummte Gregor.
    Francesca reichte ihm die Karte zurück und sah ihn lange an. »Du hast sie geliebt, nicht wahr, und sie dich auch.«
    »Geliebt?« Gropius wiegte den Kopf hin und her. »Manchmal kreuzt sich das Schicksal zweier Menschen unerwartet, und man glaubt aufgrund bestimmter Umstände, man sei füreinander bestimmt. Später stellt man dann erstaunt fest, dass man sich nur in die Situation verliebt hat, nicht in den Menschen.«
    »Und das war so eine Situation?«
    »Ja, ich glaube.«
    »Und wie ist das bei uns?« Francesca sah Gregor fest in die Augen.
    Gropius nahm ihre Hand und küsste sie. »Ich liebe dich«, sagte er leise.
    Zum Empfang im Hotel ›Vier Jahreszeiten‹ hatte Felicia etwa fünfzig Gäste geladen, vorwiegend Freunde und Bekannte aus dem Kunsthandel sowie einige namhafte Kunstsammler, die Gropius unbekannt waren. Francesca hatte für den Anlass bei ›Lanvin‹ in der Maximilianstraße ein cremefarbenes plissiertes Cocktailkleid aus Crêpe de Chine erworben und stellte mit ihrer Erscheinung beinahe die Hauptperson in den Schatten.
    Entsprechend reserviert verlief die Begegnung der beiden Frauen. Gregors Glückwünsche hingegen kamen von Herzen.
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