Die Achtsamkeits-Revolution
durch Steifheit, Starrheit und Schwerfälligkeit auszeichnet, Befreiung erlangt. In der Folge gelangen Sie nun in einen Zustand mentaler Gefügigkeit und Biegsamkeit (prashrabdhi), in dem Ihr Geist fit, flexibel und geschmeidig ist wie nie zuvor.
Wenn der Geist funktionsgestört ist oder zu Sinken und Erregung neigt, ist es aus kontemplativer Sicht schwierig, Begeisterung für die Heilung von den Geistesplagen zu entwickeln oder sich heilsamen mentalen Aktivitäten zu widmen. Sind Sie von solcher mentaler Funktionsstörung frei, können Sie den Geist ohne Widerstand auf jedwedes bedeutsame Objekt oder jedwede sinnvolle Aufgabe konzentrieren, und ein solcher Geist gilt nun als fit oder strapazierfähig. Das ist der Schlüssel zum Vollbringen optimaler mentaler Leistungen.
Nachdem Sie diesen Druck im Scheitelbereich verspürt haben, nehmen Sie die Bewegungen der Vitalenergien im Körper wahr, und wenn diese Ihren ganzen Körper durchströmt haben, haben Sie das Gefühl, vollständig von der Kraft dieser dynamischen Energie erfüllt zu sein. Sie sind nun auf physischer Ebene von der Funktionsstörung befreit, und daher fühlt sich der Körper hochgestimmt und leicht wie nie zuvor. Körper und Geist sind jetzt mit einer ganz außerordentlichen Geschmeidigkeit versehen, was sie bemerkenswert fit macht, um sich allen möglichen mentalen Schulungen oder anderen sinnvollen Aktivitäten zu widmen.
Wenn anfangs diese physische Geschmeidigkeit aufkommt, setzen die Vitalenergien ein außerordentliches Gefühl der physischen Wonne oder Glückseligkeit frei, was wiederum eine gleichermaßen außergewöhnliche Erfahrung mentaler Glückseligkeit auslöst. Dieser Ausbruch der physischen und mentalen Ekstase ist vorüber
gehender Natur, was gut ist, denn er nimmt die Aufmerksamkeit dermaßen gefangen, dass Sie wenig mehr tun können, als es einfach nur zu genießen. Sie ebbt allmählich ab und Sie werden vom Aufruhr befreit, den diese intensive Wonne verursacht. Ihre Achtsamkeit kommt in einem Zustand vollkommenen Gefestigtseins und lebendiger Klarheit zur Ruhe. Sie haben nun Shamatha erlangt.
Padmasambhava beschreibt diesen Zustand wie folgt:
Makelloses Shamatha ist wie die von keinem Windhauch bewegte Flamme einer Öllampe. Wo immer das Gewahrsein platziert ist, ist es unerschütterlich gegenwärtig. Das Gewahrsein ist wach, scharf und klar, ohne von Sinken, Lethargie oder Trübheit befleckt zu werden. Worauf immer das Gewahrsein gerichtet sein mag, es ist stetig und scharf zugespitzt - unbewegt von hinzukommenden Gedanken ist es unmittelbar und direkt. So entsteht ein makelloser meditativer Zustand in deinem Geistesstrom. Bis dies aber geschieht, ist es wichtig, dass du den Geist in seinem natürlichen Zustand ruhen lässt. Solange nicht echtes Shamatha in deinem Geistesstrom entsteht, bleibt es, selbst wenn das dir innewohnende Gewahrsein aufgedeckt wird, nichts weiter als ein Gegenstand des intellektuellen Verständnisses. Dann ist die Sicht einfach nur ein Lippenbekenntnis, und es besteht die Gefahr, dass du dich in Dogmatismus verstrickst. Es hängt somit die Wurzel aller meditativen Zustände davon ab; deshalb gelange nicht verfrüht in das reine ursprüngliche Gewahrsein, sondern übe, bis du die Erfahrung von hochgradigem geistigen Gefestigtsein machst. 93
In der Theravada-Tradition findet sich folgende Beschreibung des Erlangens von Shamatha mittels der Achtsamkeit auf die Atmung: Du beginnst mit dieser Praxis, wie an früherer Stelle beschrieben,
indem du dich auf die mit dem Atem verbundenen Empfindungen des Tastsinns konzentrierst, die das »Vorbereitungsbild« (parikam- ma-nimitta) sind. Schließlich verlagerst du deine Achtsamkeit auf das »Aufgefasste Bild« (uggaha-nimitta) des Atems, welches zu deinem meditativen Gegenstand wird, bis du Shamatha erlangst, wo dann spontan ein drittes Zeichen in Erscheinung tritt. Dies nennt man das Gegenbild (patibhaga-nimitta) des Atems, eine subtile sinnbildliche Darstellung der Gesamteigenschaften des Luft-Ele- ments. 94 Buddhaghosa beschreibt dieses Zeichen wie folgt:
... das Gegenbild ... ist wie eine aus dem Futteral herausgenommene runde Spiegelscheibe oder wie rein polierter Perlmutter oder wie die zwischen den Wolken hervorgetretene Mondscheibe oder wie ein vor einer Gewitterwolke befindlicher Kranich. Durch Durchbrechung des Aufgefassten Bildes gleichsam hervorgegangen, zeigt es sich hundert und tausend Mal klarer als jenes. Und dieses Gegenbild hat weder
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