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Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus

Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus

Titel: Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus
Autoren: Ingo Hasselbach , Winfried Bonengel
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zu dieser Zeit bereits von der Stasi gesucht wurde. Er war einer von den Rädelsführern der Skinheads beim Überfall auf die Besucher der Zionskirche am 17. Oktober 1987 gewesen. Dort hatte die Polizei zugesehen, wie ein Trupp von zwanzig Glatzen auf Bürgerrechtler und junge Leute der Kirche von unten, Besucher eines Punkkonzerts, einschlug. Dabei war Blut geflossen, und es gab mehrere Schwerverletzte. Ein Pfarrer erlitt einen Schädelbasisbruch. Nun griff die Stasi »hart durch«. Alle Beteiligten erhielten langjährige Haftstrafen, und die Zeitungen der DDR berichteten täglich über den ersten Skinheadprozeß in Ostberlin. Viele der an diesem Überfall Beteiligten sah ich kaum zwei Jahre spater in der Weitlingstraße wieder.
    Nach ein paar Tagen wurde unser Gastgeber von der Stasi verhaftet, Freddy und ich gleich mit. Es stellte sich allerdings schnell heraus, daß wir beide für den 17. Oktober das perfekteste Alibi hatten: Wir waren an diesem Tag noch im Knast gewesen. Die Stasi ließ uns für diesmal laufen.
    In der gleichen Woche meldete ich mich bei meinem alten Betrieb zurück und fing wieder an zu arbeiten. Mein Schwiegervater, der auch in diesem Betrieb arbeitete, brachte mich mit meiner Frau in Kontakt. Er besorgte uns eine neue Wohnung, und wir unternahmen einen neuen Versuch, unsere Ehe zu retten.
    Freddy war inzwischen wieder in seinem Lieblingsknast in Rummelsburg: Er hatte vergessen, sich polizeilich anzumelden und es versäumt, an seinem Arbeitsplatz zu erscheinen. Auch ihm war der Paragraph 48 ausgesprochen worden, was die Verhängung staatlicher Kontrollmaßnahmen über ihn bedeutete. Der Paragraph bestand aus sechs Bestimmungen:
1. Meldepflicht beim Abschnittsbevollmächtigten der Deutschen Volkspolizei (zweimal wöchentlich)
2. Arbeitsplatzbindung
3. Zuweisung des Arbeitslohnes in regelmäßigen Teilbeträgen (Man mußte sein Geld wöchentlich bei einer staatlichen Stelle abholen)
4. Aushändigung eines Zweitschlüssels zur eigenen Wohnung an den Abschnittsbevollmächtigten
5. Anmeldung jeglichen privaten Besuchers bei der Polizei
6. Ableistung von gemeinnütziger Freizeitarbeit nach dem Ermessen der Polizei
    Allgemein galt der Paragraph 48 als eine sichere Rückfahrkarte in den Knast. Frieder Meisel wurde nur eine Woche nach seiner Entlassung aus der Haft erneut zu einer einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Ich besuchte meinen alten Freund in den folgenden Monaten mehrmals in Rummelsburg.
    Während Freddy im Knast saß, führte ich ein ganz normales Leben. Ich ging regelmäßig zur Arbeit und lebte mit meiner Frau zusammen, jedoch gingen wir beide mehr oder weniger getrennte Wege. Im Sommer 1988 fuhren wir gemeinsam an die Ostsee. Es sollte ein letzter Versuch sein, unsere Ehe zu retten. Er mißlang. Noch im Urlaub lernte ich eine andere Frau kennen. Christine fuhr allein nach Berlin zurück, und ich lebte noch eine Zeitlang mit der anderen zusammen. Unmittelbar nach meinem Urlaub reichte ich die Scheidung ein.
    Am Tage meines Scheidungstermins, ein paar Wochen später, traf ich auf dem Gericht niemand anderen als Frieder Meisel, der mich wie ein Schatten zu verfolgen schien. Er war gerade etwas vorfristig aus dem Gefängnis entlassen worden und meldete sich diesmal polizeilich zurück.
    Nach dem Scheidungsspruch drängte mich Freddy zu einem obligatorischen Glas Bier. Ich ging für eine Stunde mit ihm in eine Kneipe, wir verabredeten uns für das Wochenende miteinander und gingen auseinander.
    Ein paar Stunden später begegnete mir Freddys Freundin Mareike auf der Straße. Sie hatte ein blaues Auge. Ich fragte sie:
    »Ach, Freddy hat sich schon bei dir gemeldet?«
    Sie schaute mich entsetzt an: »Du hast doch einen Schuß.«
    Ich grinste sie an: »Das hast du dir sicherlich verdient.«
    Sie grinste zurück: »Du weißt ganz genau, warum ich ein blaues Auge habe.«
    Ich lachte und ging weiter. Wir beide wußten, daß ich der Grund für Mareikes blaues Auge war. Ich hatte Freddy in der Kneipe gebeichtet, während seiner Haft ein paarmal mit seiner Freundin geschlafen zu haben. Freddy nahm mir das nicht weiter übel: »Besser du als irgend so ein Typ, den ich nicht kenne.« Freddy hatte alle seine Sachen in Mareikes Wohnung und betrachtete sie allein deshalb als seine Freundin, die für jedes Fremdgehen Prügel bekommen muß. Er selbst ging regelmäßig mit den verschiedensten Frauen ins Bett.
    Einige Wochen später wurde Freddy erneut inhaftiert. Er war in eine Schlägerei verwickelt
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