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Die Abenteuer des starken Wanja

Die Abenteuer des starken Wanja

Titel: Die Abenteuer des starken Wanja
Autoren: Otfried Preußler
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Nachricht, Hoheit!«
    Sie
hörten, wie sich der Großfürst vom Lager erhob. Ein Stuhl wurde umgestoßen, ein
Schlüssel knackte im Schloß, eine Kette klirrte. Großfürst Dimitrij trug einen
hastig übergeworfenen dunklen Mantel. Sein Haar war zerzaust, in der rechten
Hand hielt er einen Kerzenleuchter.
    »Wen
bringst du mir da ?«
    Der
Wirt schob sich vor den Hauptmann und buckelte.
    »Ich
bin es, Hoheit. Anissim, der Herbergswirt.«
    Der
Großfürst gebot ihnen einzutreten. Er stellte den Leuchter auf einen klobigen
Holztisch und ließ sich in seinen Stuhl fallen.
    »Nun
sage mir bloß, Anissim, da sei jemand mit der Rüstung des Zaren Iwan
Wassiljewitsch aufgetaucht !«
    Der
Wirt zog den Kopf ein und drehte die Mütze in beiden Händen. »Hoheit werden es
nicht für möglich halten — so ist es .«
    »Kein
Zweifel?«
    »Kein
Zweifel, Hoheit.«
    Der
Großfürst faßte sich an den Hals.
    »Sieben
Jahre und siebenmal sieben Wochen«, dachte er, »und jetzt das !«
    Er
starrte zu Boden und schwieg. Eine Weile verharrte er so, in finsterem Brüten.
Dann gab er dem Wirt einen Wink.
    »Erzähl
schon, Anissim! Wo steckt der Mann ?«
    Anissim
drehte die Mütze.
    »Er
übernachtet bei uns in der Herberge, Hoheit. Was sollen wir mit ihm tun ?«
    Der
Großfürst trat an die Truhe am Fußende seines Lagers und schloß sie auf. Er
entnahm ihr ein Fläschchen mit grünlich schillerndem Inhalt.
    »Mische
ihm dies in den Frühtrunk !« befahl er dem Wirt.
    Anissim
schnupperte an dem Fläschchen, bevor er es in der Tasche verschwinden ließ.
    »Gift,
Euer Hoheit ?«
    Großfürst
Dimitrij erwiderte nichts darauf. Das war auch eine Antwort.
    »Und
— wenn er den Frühtrunk ausschlägt ?« fragte der Wirt.
    »Dann
folgst du ihm in die Steppe und steckst sie in Brand. Er wird in den Flammen
umkommen .«
    »Und
wenn nicht ?« fragte Hauptmann Kujuk.
    »Auch
dafür ist vorgesorgt«, sagte der Großfürst. »Wozu haben wir deine tatarischen
Bogenschützen? Sie werden am Schloßtor zu seinem Empfang bereitstehen — und du
haftest mir mit dem Kopf dafür, daß er ihn nicht überlebt .«
     
    B is spät in die Nacht hatte
Mischa Holzbein dem starken Wanja vom alten Zaren erzählt und von seiner
Tochter, der schönen Wassilissa, vom bösen Großfürsten Dimitrij und seinen
Plänen — und davon, welche Bewandtnis es mit der Rüstung des Zaren Iwan
Wassiljewitsch habe.
    »Du
weißt nun, was dich erwartet«, schloß er. »Drum nimm dich in acht vor dem
Großfürsten, Bruderherz! Er wird alles tun, um dich zu vernichten .«
    »Ich
danke dir für die Warnung«, sagte der starke Wanja.
    Dann
fragte er Mischa, ob er ihn morgen zum Schloß des Zaren begleiten wolle.
    »Gern«,
sagte Mischa. »Allzuviel werd’ ich dir ja nicht nützen können, das weiß ich —
aber ich denke, daß es auf keinen Fall etwas schaden kann, wenn ich mitkomme .«
    Sie
beschlossen, den Rest der Nacht in der Gaststube zu verbringen. Wanja legte die
Rüstung ab und streckte sich auf die Ofenbank, Mischa ließ sich zwei Schritte
entfernt auf dem Fußboden nieder. Bevor er die Kerze ausblies, spielte er, kurz
und schrill, einen Durchzieher auf der Garmoschka.
    »Daß
die Flöhe und Wanzen in ihren Ritzen anfrieren !« sagte
er. »Das wäre die erste Herberge ohne Ungeziefer — und jetzt gute Nacht !«
    Von
Flöhen und Läusen, von Wanzen und Mücken unbehelligt, schliefen sie friedlich
durch bis zum anderen Morgen. Mischa erwachte zuerst. Er legte dem starken
Wanja die Hand auf die Schulter und rüttelte ihn.
    »Aufstehen,
Bruder! Wir müssen ins Zarenschloß !«
    Wanja
lief an den Brunnen und wusch sich, dann legte er in der Stube die Rüstung an.
Mischa Holzbein ging ihm dabei zur Hand.
    Mit
einemmal klopfte es an die Stubentür, Mischa öffnete. Draußen, mit einem Krug
in der Hand, stand der Wirt und dienerte.
    »Was
gibt’s ?« fragte Mischa.
    »Den
Frühtrunk für Dero Hochwohlgeboren«, sagte der Wirt. »Dero Hochwohlgeboren
haben, so hoffe ich, wohl zu ruhen geruht .«
    Mischa
streckte die Hand aus.
    »Gib
her !«
    Der
Wirt reichte ihm den Krug. Seine Augen flackerten. In der offenen Tür stehend,
blickte er Mischa nach.
    Ob
es Absicht war oder ob es sich zufällig so ergab — jedenfalls stolperte Mischa
nach wenigen Schritten so ungeschickt über sein Holzbein, daß ein paar Tropfen
vom Inhalt des Kruges über den Rand schwappten und auf den Boden klatschten.

    Es
dampfte, es zischte, es roch nach verkohltem Holz — und als Wanja und Mischa
genauer
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