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Diamantenschmaus

Diamantenschmaus

Titel: Diamantenschmaus
Autoren: Pierre Emme
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Krimiliteranalogie.

     
    *

     
    Während
Hermine Wurminzer den netten Mann von der Viererstiege mit Kaffee und ganz
frischem, noch ein bisserl warmem Marmorgugelhupf verwöhnte, hatte am
Grinzinger Friedhof eine andere ältere Dame ihren großen Auftritt. Auf der
Suche nach Zeugen, die etwas beobachtet hatten, was mit dem Verschwinden der Leiche
des Kammersängers zu tun haben könnte, waren Inspektor Heidenreich und
Hauptmann Bachmayer, die der Einfachheit halber beschlossen hatten, fürs Erste
einmal zusammenzuarbeiten, rasch auf Maria ›Mitzi‹ Wallasch gestoßen. Na klar,
denn sonst hatte niemand was gesehen oder gehört. Was sich vor allem aus dem
Umstand erklärte, dass zu dem fraglichen Zeitpunkt die Mitzi der einzige
anwesende Mensch weit und breit gewesen war.
    Als die beiden Kriminalisten den kleinen Laden
betreten hatten und daraufhin auch noch der Herr Innenminister gekommen war,
mit dem Fernsehteam im Schlepptau, da hatte die alte Standlerin nicht nur den
Hauch der Geschichte auf ihrer faltigen Gesichtshaut verspürt. Nein, sie hatte
endlich verstanden, warum der liebe Gott es zugelassen hatte, dass ihre
wiederholten Anträge auf vorzeitige Versetzung in den Ruhestand trotz
erschreckender ärztlicher Atteste bisher immer abgelehnt worden waren. Zuletzt
im Oktober vergangenen Jahres. Jetzt erst erkannte sie, dass System
dahintersteckte. Der Herr hatte in seiner Güte und Weisheit noch etwas mit ihr
vorgehabt. Er hatte gewollt, dass sie, Mitzi Wallasch, einmal in ihrem Leben im
Fernsehen zu sehen war. Er hatte gewusst, dass das ihr größter Wunsch war. Und
weil sie allzeit ein guter Mensch gewesen war, wollte er ihr diesen Wunsch
sogar erfüllen, und das nicht nur als Fallstudie im Rahmen der aktuellen
Diskussion um den Altenpflegenotstand. Das Ganze hier war eigentlich ihre Show,
ihre ganz allein. Bereitwillig berichtete sie den Kriminalbeamten von den
beiden Männern, die knapp zwei Stunden vor Beginn der Trauerfeierlichkeiten für
Boreskov den Friedhof mit einem offensichtlich leeren Transportsarg betreten
und ihn einige Minuten später wieder verlassen hatten.
    »Do woar oba sicha was Schwars in dem Sorg, denn
die beiden ham ganz schö schleppn miassn«, bekräftigte Frau Wallasch. »Des woar
sicha dem Herrn Kammersänga sei Leich.« Die Beschreibung der beiden Akteure
brachte den Polizisten keine neuen Erkenntnisse, die des Wagens ebenfalls
nicht. »Joa ans no«, erinnerte sich die Frau schließlich noch, »des Auto hod a
niederösterreichisches Kennzeichn ghabt. So ans mit an blaun Woppn und göbe
Vicha drauf, i was net, wos des fia Vicha san. Und i glaub, doss die Numma mit
BL begonnan hod.« Die Wallasch schloss kurz die Augen. »Jo, i bin gonz sicha,
des woar a BL am Aufang.«
    Na bitte, fand Inspektor Heidenreich, das war zwar
nicht viel, jedoch immerhin ein erster Ansatzpunkt für Ermittlungen. Und sein
Kollege vom BK stimmte ihm zu. Flugs waren Mitzi Wallaschs fünf Minuten im
Rampenlicht auch wieder vorbei und die Karawane zog weiter. Zur Villa des
Verstorbenen in der Himmelstraße, in die sich die nach den letzten Ereignissen
völlig entnervte Witwe mit einem Tross aus Verwandten, Freunden und Bekannten
zurückgezogen hatte und wartete, in der Hoffnung darauf, Antworten zu geben und
vor allem welche zu bekommen.
    Das würde zweifellos ein langer Tag werden, war
sich Heidenreich sicher. Deshalb rief er Palinski an, um den Termin für den
späteren Abend zu bestätigen.

     
    *

     
    Der Gugelhupf
war wirklich erstklassig gewesen. Früher hatte Wilma, die Frau, die Palinski
nach dem im letzten Herbst fulminant gescheiterten Versuch nun wohl nie
heiraten würde, von Zeit zu Zeit auch gebacken. Vor allem Kekse in der
Adventszeit, hin und wieder den einen oder anderen Kuchen. Komisch, ein
Marmorgugelhupf war nie darunter gewesen, obwohl er gerade diesen so besonders
mochte.
    Doch seit die Kinder erwachsen waren und vor allem seit Wilma
in die Politik gegangen war, bekam er nicht einmal mehr einen Kaffee zu Hause.
Gut, sie hatte als Bezirksrätin eine Menge zu tun und nahm ihr Mandat sehr
ernst. So weit war das in Ordnung.
    Dass Wilma, falls sie doch den Herd aufdrehte, um
etwas zuzubereiten, grundsätzlich nur den Empfehlungen eines ihrer Kollegen,
einer Art Grünkern-Guru, folgte, war allerdings mehr als ernüchternd. Dazu kam
auch noch, dass fast immer Tee serviert wurde. Richtig, vor allem grüner,
gelegentlich auch Jasmin, Brennnessel oder, wenn man Glück hatte, sogar
Kamille.
    Zum
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