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Diamantenschmaus

Diamantenschmaus

Titel: Diamantenschmaus
Autoren: Pierre Emme
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schrecklicher
Schock für Sie gewesen sein«, fügte er hinzu.
    »Na ja«, Frau Wurminzer schien zu überlegen. »Schon, aber so
arg war’s gar net. Wie ich vor, na, des ist jetzt auch fünf Jahr her, die Pippi
sterben hab sehen, bin ich mehr erschrocken. Wolln S’ net reinkommen, ich hab
grad an frischen Kaffee gemacht?«
    Wer um Himmels willen war Pippi gewesen, schoss es Palinski
durch den Kopf, während er die Wohnung betrat und im Wohnzimmer Platz nahm.
    Immerhin war er bereits fast   …
ja, wie viele Jahre waren es eigentlich? Auf jeden Fall hatte er sein Büro auf
der Stiege 4 erheblich länger als fünf Jahre. Doch ein Todesfall
namens Pippi war ihm nicht geläufig. Davon hatte er noch nie etwas gehört.
    Die Hausfrau, die ihm inzwischen Kaffee eingeschenkt hatte,
deutete seinen offenbar leicht irritierten Blick richtig. »Gell, Sie wissen
net, wer die Pippi war«, stellte sie fest. »Hab ich recht oder hab ich recht?«
Sie lachte, aber das Lachen klang verdächtig wie ein Versuch, eine plötzlich
aufkommende Traurigkeit zu überdecken.
    »Hier«, sie stand auf, nahm eine gerahmte Fotografie von der
Kommode an der Wand und hielt sie Palinski hin, »das ist Pippi gewesen.«
    Das Bild zeigte die Frau mit einer schwarz-braunen Sofarolle,
die mit heraushängender Zunge freundlich ins Objektiv hechelte und eine
entfernte Ähnlichkeit mit einem Rauhaardackel hatte. Ein schwarzer Trauerflor,
der quer über die linke obere Ecke des Bilderrahmens ging, ließ keinen Zweifel
offen, dass das Vieh nicht mehr unter den Lebenden weilte.
    »Pippi ist vor fast fünf Jahren von mir gegangen«, bei diesen
Worten hatte Frau Wurminzer einen Knödel im Hals und Tränen in den Augen. »Mit
nur vier Jahren elendiglich krepiert«, sie schüttelte verzweifelt den Kopf,
bevor sie sich geräuschvoll die Nase putzte. »Der Arzt hat Krebs
diagnostiziert, aber nicht mehr helfen können.« Wieder schluchzte sie. »Ich
mache mir heute noch Vorwürfe, dass ich nicht früher zum Dr. Hubarsky gangen
bin mit der Pippi.«
    Palinski überlegte, was er gegen die aufsteigende
Peinlichkeit der Situation unternehmen konnte, als plötzlich ein Ruck durch die
alte Dame ging. »Wollen S’ vielleicht einen Gugelhupf? Ich hab grade einen
frischen gmacht. Backen beruhigt meine Nerven. Er ist sogar noch ein bisserl
warm.«
    Sie stand auf, ohne die Stellungnahme ihres Gastes
auf ihr Angebot abzuwarten. »Ich hol Ihnen ein Stückerl, meinen Marmorgugelhupf
müssen S’ unbedingt kosten.«
    Während Frau Wurminzer in der Küche herumrumorte, nahm
Palinski das Foto mit Pippi und stellte es wieder auf seinen Platz auf der
Kommode. Direkt neben einer kleinen unscheinbaren Vase, die mit einem Deckel verschlossen
war.
    Das vasenförmige Ding erinnerte Palinski an etwas, was ihm
jedoch im Moment nicht einzufallen vermochte. Es stand direkt auf einem dicken
Brief mit dem Absender ›Diamonds are Memory Inc., Rotterdam, NL‹, beschwerte
ihn sozusagen.
    Ehe er seiner aufkeimenden Neugierde weiter
nachgeben konnte, war die Hausfrau wieder zurückgekehrt.
    »Ja, ja«, seufzte sie leise, »das ist alles, was
mir von meinem Liebling geblieben ist. Ein Häferl voller Asche.« Sie schniefte
wieder, dass es zum Gotterbarmen war. »Aber ich hab eine Möglichkeit gefunden,
der Pippi zu einer Art ewigem Leben zu verhelfen.«
    Palinski verstand zunächst nicht, was die Alte
meinte. Dann dämmerte es ihm – die Vase in dem Regal schien eine Urne zu sein.
Ein Gefäß voller Asche, der Asche von Pippi? Ehe sich sein Verdacht allerdings
zu einer echten Erkenntnis verdichten konnte, machte sich sein Handy auf die
typisch widerlich-aufdringliche Art bemerkbar.
    Palinski ärgerte sich jedes Mal wieder über dieses
stupide Gedudel seines neuen Mobiltelefons, diesmal so sehr, dass ihm das
kryptische Getue der Wurminzer mit dem ›ewigen Leben‹ völlig aus dem Sinn kam.
Vorläufig zumindest.
    Am anderen Ende der Verbindung meldete sich Heidenreich, bei
dem es noch einige Zeit dauern würde, da »sich der Herr Minister persönlich in
die Amtshandlung eingebracht hat.«
    O Gott, dachte Palinski, welch geschwollener Euphemismus für
Mikis Angewohnheit, seine Nase überall hineinstecken zu müssen. Je länger sein
alter Freund Schneckenburger Übergangsminister war, desto seltsamer wurde er
offenbar. Er stimmte zu, den Inspektor um 21 Uhr im Restaurant Mamma Maria
zu treffen. Dem besten Italiener der Stadt, direkt gegenüber von Palinskis
Institut für
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