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D.E.U.S.

D.E.U.S.

Titel: D.E.U.S.
Autoren: Mario Degas
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den Kinderwunsch erfüllen können. Auf den Straßen
informierten Werbe-Displays – vom Cloud-Fenster bis zur Cardo-Tafel – darüber,
noch bevor man sich für die Untersuchung eingeschrieben hatte. Anhand einer
stilisierten Zeichnung einer Frau wurde der Umgang mit den Schwangerschaftskits
erklärt: Wie man eine abgestumpfte Injektionsspritze mit einer vorgelagerten
Flüssigkeit befüllte und in das Geschlechtsteil einführte. Als letzten Schritt
noch die Pillen, rot glänzend und blau schimmernd, eingeworfen und den Rest
erledigte die moderne Medizin.
     Der
Mann blieb außen vor – er wurde zu einer leeren Hülle, ohne Funktion in diesem
Spiel. Für die Paare blieb nichts weiter, als zu warten. In den meisten Fällen
schlug das Präparat an und brachte das erwünschte Ergebnis. Doch es gab auch
die Fälle, in denen der Frau nur noch eine vorzeitige Abtreibung blieb, weil
der Körper sich gegen das Heranwachsen des Embryos wehrte – nicht imstande
Leben zu schenken. Hatte man beides, Glück und Pech, passierte nichts. Entweder
fand man sich damit ab oder man bewarb sich erneut für ein Schwangerschaftskit,
in der Hoffnung, dass es beim nächsten Versuch besser werden würde.
     Es
war kein Allheilmittel; die Exekutive verkaufte es bloß als ein solches, wobei
man sich die Hilflosigkeit der Paare zunutze machte. Nach außen hin war es ein
Dienst an der Menschheit. Nebenwirkungen wurden frühzeitig beiseite gekehrt, um
die Stabilität und den Glauben zu wahren. Offiziell war es perfekt, ein Triumph
des Systems mithilfe der Pharmazeutik, gegen das Gesetz der
Naturwissenschaften. Die Dunkelziffer besagte etwas anderes.
     
     Mel
und ich hatten für uns erkannt, dass wir nichts von alledem wollten. Als
Nomaden wurden wir von den Bewohnern, denen, denen es besser ging als uns, und
denen, die es schlimmer traf, kaum wahrgenommen, solange wir uns im Hintergrund
aufhielten. Wir vermieden den Kontakt mit anderen Bewohnern Neu New Yorks. Wir
vermieden die Gesellschaft; zogen unsere eigenen Schlüsse und lebten in den Tag
hinein. Aber was wichtiger war: Wir betraten nicht die Tür ins Ungewisse, in
das, was man gemeinhin eine verordnete Zukunft nannte, der sich zu viele
Menschen leichthin hingaben. Sich der Exekutive zu verschreiben, hieß, sich zu
unterwerfen.
     Für
alles gab es eine Formel. Sie musste nur noch gefunden werden. Das Ergebnis lag
vor mir, so schön wie eh und je, so schwanger wie einzigartig.
     Mel
war makellos, trotz eines kleinen Schönheitsfehlers. Von Geburt an trug sie in
Höhe der Bauchfalte eine Narbe, die das Hautgewebe wie ein Kreuz durchzog: zwei
gerade Striche, von oben nach unten, von links nach rechts. Eine Laune der
Natur, eine genetische Missbildung. Es war ihr alleiniges Merkmal. Sie war
dadurch nicht nur schön, sie war wunderschön.
     Ich
legte meinen Kopf flach auf ihren Bauch. Die Wärme aus ihrem Inneren strahlte
mich an. Ich lauschte auf Geräusche, spürte ein Pochen. Das kleine Herz schlug
bereits im Akkord.
     »Lass
uns ihr einen Namen geben«, sagte Mel, als ich den Herzschlägen mit
geschlossenen Augen lauschte. Ich hörte ihre Stimme, ganz in Gedanken
versunken.
     » Zoë «, bildeten meine Lippen die Buchstaben. Es kam
plötzlich, spontan und war ein Produkt meines Unterbewusstseins; meiner stillen
Einkehr mit mir selbst.
     Ich
bemerkte, wie sie die Wand anstarrte. » Zoë ?«, wiederholte sie.
     »Das
Leben«, antwortete ich und schlug dabei meine Augen auf.
     Sie
konnte es nicht verbergen: In Gedanken war sie für einen kurzen Moment wieder
in ihrem Traum.
     »Mel«,
flüsterte ich in ihr Innerstes. Es half. Sie sah nicht mehr durch mich hindurch.
     »Ich
hoffe, sie kann deiner Bestimmung gerecht werden«, warf sie ein.
     »Das
wird sie«, antwortete ich.
     Sie
rang sich ein Lächeln ab. Um dem Namen mehr Nachdruck zu verleihen, strich sie
sich über den Bauch. Es waren die ersten Annäherungsversuche einer Mutter an
ihr Kind. Ich beobachtete sie immer häufiger dabei. Auch ich konnte mich davon
nicht reinwaschen, berührte ich doch immer häufiger und inniger die Frucht
ihres Leibes.
     So
schlief sie ein. Ich hoffte nur, ihr Erwachen brachte dieses Mal keine Ängste
mit sich. Ich wusste, sie war stark, wenn ich es war. Auf andere Arten war sie
jedoch stärker, als ich es jemals hätte sein können.
     Ich
beschloss meinen Beinen Bewegung zu verschaffen. Als ich mich vom Bett erhob,
rutschte Mels Hand auf das Laken. Ich entschied, es so zu
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