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Des Teufels Novize

Des Teufels Novize

Titel: Des Teufels Novize
Autoren: Ellis Peters
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stehen und blickte hinüber, teils aus Neugierde, teils in der vergeblichen Hoffnung, daß der Guß nachließe und es ihm erlaubte, nicht übermäßig durchnäßt die Schreibstube zu erreichen.
    Ein großer, aufrechter Mann, bekleidet mit einem dicken Mantel, ritt den Ankömmlingen auf seinem kräftigen grauen Pferd voraus. Als er die Kapuze abstreifte, entblößte er einen Kopf mit buschigem, leicht ergrautem Haar und ein langes, strenges, bärtiges Gesicht. Selbst auf diese Entfernung über den weiten Hof hinweg schien er gut auszusehen – ernst und ungebeugt, eine hohe, arrogante Nase und ein grimmig-stolzer Zug um Mund und Kiefer; doch sein Benehmen dem Pförtner und dem Stallburschen gegenüber, als er abstieg, war gemessen und höflich. Dieser Mann war nicht leicht zu nehmen und sicher kein leicht zufriedenzustellender Vater. Begrüßte er den Entschluß seines Sohnes oder nahm er ihn nur unter Protest und mit Mißbilligung hin? Cadfael schätzte ihn auf Mitte Fünfzig und hielt ihn somit für einen alten Mann. Sein eigenes Alter, über das er kaum je nachdachte, seine über sechzig Lebensjahre, vergaß er dabei.
    Er achtete nun mehr auf den jungen Mann, der wohlerzogen und respektvoll einige Schritte hinter seinem Vater folgte; er war rasch von seinem Pony gesprungen, um seinem Vater das Zaumzeug zu halten. Beinahe übermäßig pflichtbewußt, und doch lag in seinem Betragen etwas, das an die strenge Selbstbeherrschung des älteren Mannes erinnerte – wie der Vater, so der Sohn. Der neunzehn Jahre alte Meriet Aspley war, als sie nun nebeneinander im Hof standen, fast einen Kopf kleiner als Leoric; ein gut gebauter, hübscher und kräftiger junger Mann, an dem es auf den ersten Blick eigentlich nichts auszusetzen gab. Dunkelhaarig war er, Locken klebten feucht auf seiner Stirn, der Regen strömte über seine glatten Wangen wie Tränen. Er stand mit ergeben gebeugtem Kopf und niedergeschlagenen Augen etwas abseits wie ein aufmerksamer Diener, der die Befehle seines Herrn erwartet; und als sie in den Schutz des Torhauses traten, folgte er auf dem Fuße wie ein gut erzogener Hund. Und doch besaß er etwas Abgerundetes, Einsames und sehr Eigenständiges, als brächte er diese Formalitäten hinter sich, ohne innerlich beteiligt zu sein – eine äußerliche, gewissenhafte Aufmerksamkeit, die sein Innerstes nicht berührte. Aus der Ferne betrachtet fand Cadfael sein Gesicht gefaßt und verschlossen, streng wie das seines Vaters, mit tiefen Grübchen in den Winkeln der vollen, leidenschaftlichen Lippen.
    Nein, dachte Cadfael, diese zwei sind gewiß nicht ein Herz und eine Seele. Und die einzige Möglichkeit, die Kühle und Förmlichkeit zufriedenstellend zu erklären, bestand darin, zu seiner ursprünglichen Annahme zurückzukehren: Der Vater mißbilligte den Entschluß seines Sohnes und hatte wahrscheinlich sogar versucht, ihn davon abzubringen und ihm bittere Vorwürfe gemacht, als dieser sich nicht umstimmen ließ.
    Widerspenstigkeit auf der einen und Enttäuschung auf der anderen Seite entzweite sie. Nicht der günstigste Beginn einer Berufung, wenn man dem Willen eines Vaters trotzen muß.
    Doch jene, die durch ein zu starkes Licht geblendet sind, können nicht sehen und dürfen sich nicht erlauben, den Schmerz zu sehen, den sie anderen zufügen. Cadfael war nicht auf diese Weise ins Kloster gekommen, doch er kannte einen oder zwei Brüder, denen es so ergangen war, und er verstand die Zwangslage gut.
    Sie waren im Torhaus verschwunden, um Bruder Paul und die formelle Aufnahme durch den Abt abzuwarten. Der Bursche, der auf einem zotteligen Hochlandpony hinter ihnen hereingeritten war, trottete mit den Pferden zum Stall, und der große Hof lag wieder leer unter dem gleichmäßigen Regen.
    Bruder Cadfael raffte seine Kutte hoch und rannte in den Schutz des Klosters hinüber, wo er das Wasser aus Ärmeln und Kapuze schüttelte. Kurz darauf machte er es sich im Schreibzimmer bequem und setzte seine Studien fort. Minuten später hatte er sich in das Problem vertieft, ob der ›Diptamdost‹ von Aelfric dasselbe war wie sein ›Diptam‹. Er dachte nicht weiter über Meriet Aspley nach, der so unbeugsam entschlossen war, ein Mönch zu werden.
    Der junge Mann wurde am nächsten Tag im Kapitel vorgestellt, wo er in aller Form sein Bekenntnis ablegte und von denen begrüßt wurde, die seine Brüder werden sollten. In der Probezeit nahmen die Novizen nicht an den Diskussionen im Kapitel teil, doch sie wurden gelegentlich
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