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Des Teufels Novize

Des Teufels Novize

Titel: Des Teufels Novize
Autoren: Ellis Peters
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zurückgeblieben, und die Berichte, die ihn erreicht hatten, hatten sich nur um Bruder Wolstans Sturz und Verletzung gedreht und nicht um den unbegreiflichen Schrecken, der in Meriet aufgebrochen war.
    »Nicht, daß etwas Seltsames daran wäre, wenn jemand vor einem Mann, der in seinem Blut liegt, zurückschreckt; alle waren erschüttert. Doch er – was er fühlte, war gewiß sehr extrem.«
    Bruder Paul schüttelte zweifelnd den Kopf; er fand keine leichte Antwort. »Alles, was er fühlt, ist extrem. Ich sehe in ihm nicht den Frieden und die Gewißheit, die mit einer wahren Berufung einhergehen sollten. Oh, er ist die Gewissenhaftigkeit selbst, er tut, was immer ich ihm auftrage, erfüllt alle Pflichten, die ich ihm auferlege, und er ist begierig, schneller zu laufen als ich ihn führe. Ich hatte nie einen gewissenhafteren Schüler.
    Doch die anderen mögen ihn nicht, Cadfael. Er meidet sie. Die, die sich ihm nähern wollten, sagen, daß er sich abwandte und grob und kurz angebunden eine Entschuldigung suchte. Er will lieber allein bleiben. Ich sage Euch, Cadfael, ich habe noch nie einen Postulanten gesehen, der sein Noviziat mit so viel Leidenschaft und so wenig Freude ableistete. Habt Ihr ihn auch nur einmal lächeln gesehen, seit er zu uns kam?«
    Ja, einmal, dachte Cadfael; an diesem Nachmittag, bevor Wolstan stürzte, als er im Obstgarten Äpfel pflückte; das erste Mal, daß er die Enklave verließ, seit ihn sein Vater brachte.
    »Meint Ihr, es wäre gut, ihn ins Kapitel zu bringen?« sagte er zweifelnd.
    »Ich habe etwas Besseres getan; jedenfalls hoffe ich es. Ich will nicht den Eindruck erwecken, daß ich mich beklage, wo ich keinen Grund zur Klage habe. Ich habe mit dem Vater Abt über ihn gesprochen. ›Schickt ihn zu mir‹, sagte Radulfus, ›und macht ihm klar, daß ich für jeden da bin, der mich braucht, für den jüngsten Knaben genauso wie für jeden Klosterbruder, und er kann sich mir ohne Furcht nähern wie seinem eigenen Vater.‹ Und ich schickte ihn und sagte ihm, er könnte vertrauensvoll seine Gedanken offenbaren. Und was kam heraus: ›Ja, Vater, nein, Vater, das will ich tun, Vater!‹ Und kein Wort, das wirklich aus dem Herzen kam. Das einzige, das seine Lippen mühelos öffnet, ist die Vermutung, daß es ein Fehler gewesen sein könnte, daß er zu uns kam, und daß er es noch einmal überdenken sollte. Wenn er diese Worte hört, ist er im Nu auf den Knien. Er bittet darum, seine Probezeit zu verkürzen und um Erlaubnis, seine Gelübde schon bald abzulegen. Der Vater Abt hielt ihm einen Vortrag über Demut und den richtigen Gebrauch des Novizenjahres, und er nahm es sich zu Herzen, wenigstens schien es so, und versprach Geduld. Doch immer noch drängt er. Er verschlingt die Bücher schneller, als ich sie heranschaffen kann, und er will um jeden Preis bald seine Gelübde ablegen. Die Langsameren mögen ihn deshalb nicht.
    Die, die mit ihm Schritt halten können und ihm zwei oder mehr Monate voraus sind, sagen, daß er sie verachtet. Daß er sie meidet, habe ich selbst gesehen. Ich kann nicht leugnen, daß ich mir Sorgen um ihn mache.«
    Cadfael fühlte genauso, wenn er auch nicht sagte, wie tief seine Unruhe ging.
    »Ich kann mich nur wundern…« fuhr Paul nachdenklich fort.
    »Sagt ihm, er soll zu mir kommen wie zu seinem Vater, ohne Furcht, wie der Abt sagt. Was für ein Trost für einen jungen Burschen, der gerade von zu Hause gekommen ist. Habt Ihr sie gesehen, als sie kamen, Cadfael? Die beiden zusammen?«
    »Ich sah sie«, sagte Cadfael vorsichtig, »doch nur für einen Augenblick, als sie vom Pferd stiegen und den Regen abschüttelten und hineingingen.«
    »Wann brauchtet Ihr schon länger als einen Augenblick!« sagte Bruder Paul. »Wie zu seinem eigenen Vater, wirklich! Ich war die ganze Zeit dabei und sah sie scheiden. Ohne Träne, wortkarg und hart ging sein Vater davon und überließ ihn mir.
    Ich weiß, viele haben sich so verhalten, weil sie den Abschied genauso fürchteten wie die Kinder selbst, vielleicht noch mehr.«
    Bruder Paul hatte nie ein eigenes Kind gezeugt, getauft, gepflegt und gehütet, doch er besaß eine Wesensart, die der alte Abt Heribert – weder ein feinsinniger noch ein sehr weiser Mann – dennoch entdeckt hatte; er gab die Jungen und Novizen in seine Obhut, und sein Vertrauen war nie enttäuscht worden. »Doch ich sah noch nie einen Vater ohne den Kuß gehen«, sagte Paul. »Noch keinen. Nur Aspley.«
    Im Dunkel des langen Dormitoriums kam beinahe zwei
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