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Des Teufels Kardinal

Des Teufels Kardinal

Titel: Des Teufels Kardinal
Autoren: Allan Folsom
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ließen. Da allein der Monopolist entscheiden würde, wer was und wo bauen oder anbauen durfte, würde der alte Spruch Roma locuta, causa finita bald wieder unbegrenzt Gültigkeit erlangen. Und das nur, weil Palestrina kühn genug gewesen war, das Notwendige zu erkennen und zu verwirklichen.
    Aber dieser kühne Traum schien nun zu Ende geträumt. Der Vatikan wurde belagert, stand teilweise in Flammen. Der Heilige Vater hatte die Finsternis, die Palestrina umgab, intuitiv erkannt. Der Adler der Borghese hatte den Kardinal nicht aufgerichtet. Er selbst hatte Pater Daniel und seinen Bruder von Anfang an richtig eingeschätzt: Die beiden waren Boten der Unterwelt; der übelriechende Rauch, den sie erzeugten, brachte Unheil und Krankheit. Wie damals schon für Alexander. Also hatte sich nicht der Heilige Vater, sondern Palestrina getäuscht: Das Ding auf der Schulter des Papstes war kein Ergebnis der emotionalen und spirituellen Gebrechlichkeit eines alten, furchtsamen Mannes, sondern in der Tat der Schatten des Todes.
    Palestrina hob plötzlich den Kopf. Er hatte geglaubt, alleine zu sein, aber das stimmte nicht. Er brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, wer das war.
    »Beten Sie mit mir, Eminenz«, sagte er leise.
    Marsciano stand hinter ihm.
    »Worum?«
    Palestrina erhob sich langsam, drehte sich zu ihm um. Dann lächelte er sanft. »Erlösung.«
    Marsciano starrte ihn an.

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    »Gott hat selbst eingegriffen. Der Vergifter ist gefangengenommen und erschossen worden. Es wird keinen dritten See mehr geben.«
    »Ja, ich weiß.«
    Palestrina lächelte wieder, wandte sich dann langsam ab, kniete erneut vor dem Altar nieder und machte das Kreuzeszeichen. »Beten Sie mit mir, nachdem Sie es nun wissen.«
    Palestrina hörte, wie Marsciano hinter ihn trat. Plötzlich stieß er ein lautes Grunzen aus. Er sah einen grellen Lichtblitz, heller als jedes Licht, das er in seinem Leben gesehen hatte. Er fühlte die spitze Klinge unterhalb der Nackenwirbel zwischen seinen Schulterblättern in seinen Rücken eindringen, spürte die wütende Kraft, mit der Marscianos Hände die Klinge tiefer in seinen Körper stießen.
    »Es gibt wirklich keinen dritten See!« rief Palestrina aus. Er atmete keuchend, während er verzweifelt um sich schlug und mit seinen starken Händen nach hinten griff und Marsciano zu erreichen versuchte, aber das gelang ihm nicht.
    »Wenn nicht heute, dann morgen. Morgen würden Sie sich neue Schrecken ausdenken. Und danach wieder welche. Und wieder welche.« Vor Marscianos innerem Auge stand nur das Entsetzen auf einem Gesicht, das er im Fernsehen in Großaufnahme gesehen hatte, kurz bevor Harry Addison gekommen war, um ihn zu befreien. Das Gesicht seines Freundes Yan Yeh, als der chinesische Bankier in Peking als gebrochener Mann zu einem bereitstehenden Wagen ge-führt wurde, nachdem er erfahren hatte, daß seine Frau und sein Sohn in Wuxi durch vergiftetes Wasser umgekommen waren.
    Palestrina schrie erneut auf, und Marsciano fühlte, wie ein Zittern, das sich durch die Klinge fortpflanzte, Palestrinas Körper durchlief.
    Marsciano holte tief Luft, ließ los und wich mit jagendem Herzen zurück. Er streckte seine blutigen Hände erschrocken von sich.
    »Heilige Maria, Mutter Gottes«, flüsterte er, »bete für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes…«
    Dann spürte er, daß er nicht allein war, und drehte sich langsam um.
    An der Tür hinter ihm stand Farel.
    »Sie haben recht gehabt, Eminenz«, sagte Farel leise, indem er die Tür hinter sich schloß. »Morgen hätte er einen neuen See gefunden.«

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    Farel sah den toten Palestrina lange an, bevor er sich wieder an Marsciano wandte.
    »Was Sie getan haben, hat getan werden müssen. Ich habe nicht den Mut dazu gehabt… Wie er selbst oft genug gesagt hat, ist er nur ein Straßenjunge, ein scugnizzo gewesen, nicht mehr.«
    »Nein, Farel«, widersprach Marsciano. »Er ist ein Mann und ein Kurienkardinal gewesen.«

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    159
    10.58 Uhr
    Eaton stand atemlos und schwitzend an der Rückfront des Bahnhofs und kämpfte gegen einen von dem beißenden Rauch ausgelösten Hustenanfall. Die leichte Brise, die aufgekommen war, war nicht stark genug und verbesserte nur ein wenig die Sichtverhältnisse. So konnte Eaton jetzt beobachten, wie Harry Addison, der den Zwerg trug, mit dem er die Wohnung in der Via Nicolò V. verlassen hatte, rechts von ihm den grasbewachsenen Hügel herunterkam. Er trabte im Laufschritt auf den Bahnhof zu und nutzte die
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