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Der Zweite Tod

Titel: Der Zweite Tod
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fühlte eine Leere, wie sie im Magen zerrt, wenn man zu kurz geschlafen hat.
    Ihr Plan! Ihr schauderte davor. Dennoch ging sie alle Stationen noch ein mal in Ge dan ken durch, be vor sie die De cke von sich riss, aus dem Bett sprang und sich im Dunkeln zur Küche tastete. Dort knipste sie die Tischl ampe an, füllte eine Tasse halbvoll mit Milch und erwärmte sie zwei Minuten und zwanzig Sekunden in der Mikrowelle. Diese Zeit nutzte sie, um Wasser im Sieder zu erhitzen und zwei Löffel Kaffee in den Filter zu schaufeln. Sie ließ das Kaffeewasser durch den Filter in die heiße Milch rinnen. Linda war wach und aufmerksam. Das musste an der Aufregung liegen, vermutete sie. Alle Handgriffe verrichteten sich wie von selbst, nachdem sie vor dem Einschlafen je den ein zel nen minutiös durch geplant hatte, auch das Kaffeekochen.
    Linda nahm die Tasse mit ins Bad, stellte sie auf der Ablage über dem Waschbecken ab und trank von Zeit zu Zeit daraus. Eine Viertelstunde später waren ihre Haare trocken genug, um damit ins Freie gehen zu können. In ihrem Zimmer lagen die Kleidungs stü cke in der Rei hen folge auf dem Bo den aus ge breitet, wie sie hineinschlüpfen musste. Einen Augenblick lang betrachtete sie die Sachen, wie sie so dalagen. Wie eine in Szene ge setzte Ge brauchs anweisung sa hen sie aus.
    Im Flur hatte sie am Abend sogar die Schuhe so aufgestellt, dass sie in Laufrichtung hineinsteigen konnte, und die Handschuhe klemmten in der Klinke der Haustür. Es war zwar nur Spaß gewesen, als Papa sie ermahnt hatte, dass alles viel schneller ginge, wenn sie sich am Morgen nicht immer so treiben ließe, doch nun war sie heilfroh, dass sie nicht im Schrank nach den Handschuhen wühlen musste. An anderen Tagen musste sie das oft tun.
    Sie trat fertig an die Wohnungstür und war sich sicher, viel besser in der Zeit zu liegen, als sie vorausberechnet hatte. Damit war also bewiesen, dass Linda Cederström konnte, wenn sie wollte.
    Um in Papas Worten zu sprechen.
    Unten vor der Tür gab es Anlass zu seufzen. Der Schnee! Endlich war er da! Ausgerechnet jetzt, wo sie ihr Ziel nicht aus den Augen verlieren durfte. Die Flocken wirbelten nicht in der Luft herum, sie fielen schnell und in geraden Bahnen vom Himmel herab. Alles war bedeckt, man konnte keine Formen mehr erkennen.
    Nichts war zu hören, nur das leise Knistern der Flocken. Und sie.

3
    Im Traum streckte Kjell seine Arme aus und griff nach den Brüsten, die seine Kollegin Sofi Johansson ausnahmsweise in dieser Szene trug. Sie lachte dabei und warf sich ihm entgegen. Das alles wirkte so natürlich. Nur ihr Lachen, das irritierte ihn ein wenig. Es klang piepsig und wollte kein Ende nehmen. Es dauerte noch einige Momente, bis er darauf kam, dass das Telefon klingelte. Er tappte danach und fand es auf dem Fensterbrett, das er vom Bett aus erreichen konnte. Er konnte alles in seinem Schlafzimmer vom Bett aus erreichen.
    Es war Sofi Johansson. Ihre Melodie war die Waldsteinsonate. Kjell drückte auf den grünen Knopf.
    »Guten Morgen«, flüsterte sie mit ihrer tiefen Morgenstimme. »Es ist Viertel vor drei, und ich bin gleich bei dir. Wir müssen nach Vasastan. Die Kripo ist schon da.«
    »Ja.« Seine Stimme klang belegt, und er musste sich mehrmals räuspern, bis sie endlich trug. »Ich stehe dann an der Straße.«
    »Ich bin jetzt bei der Brücke«, sagte sie und legte auf.
    Das mit den Brüsten tat ihm sogleich leid. Es musste mit der trockenen Heizungsluft zusammenhängen, dass er plötzlich von Brüsten träumte und sie dabei auch noch vergrößerte. Er war also auf der untersten Stufe angelangt, die man beim Träumen erreichen konnte. Er hatte nicht geglaubt, dass es so schnell gehen würde.
    Kjell riss beide Fensterflügel auf und ließ die Kälte herein. Sie biss nicht in die Haut, aber alles, was in dem Zimmer aus Kunststoff oder elektrisch war, knisterte und knackte. Er lehnte sich hinaus und machte einige tiefe Atemzüge. Schneeflocken fielen vom Himmel. Sie waren so klumpig und schwer, dass er es spürte, wenn eine davon auf seinem Kopf landete. Er wohnte auf Reimersholme mitten in der Stadt. Jenseits des Wassers sah er die Scheinwerfer eines Autos, das sich auf der Ringstraße durch den Schnee kämpfte. Der Lichtkegel reichte gerade mal zwei, drei Meter weit, bevor er seine Kraft verlor. Der Wagen war in einen diffusen Schein gehüllt, denn neblig war es obendrein. Kjell blickte nach unten auf den Rasen vor dem Haus. Er wollte abschätzen, wie hoch der Schnee
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