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Der zweite Gral

Der zweite Gral

Titel: Der zweite Gral
Autoren: Boris von Smercek
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befreites Lächeln.
    »Wo hast du so zu kämpfen gelernt?«, fragte sie.
    »Jetzt ist nicht die Zeit für Erklärungen«, raunte Lara. »Wenn wir hier rauswollen, sollten wir uns beeilen.«
    Sie packte den Wärter im Gang an den Füßen, zog ihn in die Zelle und nahm ihm die Pistole ab. »Der wird so schnell nicht Alarm schlagen«, sagte sie. Dann betrachtete sie den anderen Wärter, der noch immer röchelnd und mit hochrotem Kopf zusammengekauert am Boden lag. »Nehmt meine Handschellen und fesselt ihn damit«, sagte Lara zu den Frauen. »Und stopft ihm irgendwas in den Mund, damit er nicht schreit, wenn er sich erholt hat. Kann jemand von euch mit Waffen umgehen?«
    Zwei der Frauen nickten.
    »Dann nehmt euch eine Pistole oder ein Gewehr. Aber wer mit mir kommt und wieder geschnappt wird, der wird hier drinnen sterben – darüber müsst ihr euch im Klaren sein.«

8.
    T om Tanaka hockte vornübergebeugt über dem kleinen, speckigen Holztisch. Sein Kopf ruhte auf den verschränkten Unterarmen. Im Schlaf gab er ein zufriedenes Schmatzen von sich.
    Das Zimmer, in dem er sich befand, war nur spärlich möbliert, doch beim Anmieten der Unterkunft hatte Luxus keine Rolle gespielt. Allein die Lage des Zimmers war entscheidend gewesen.
    Der Knopf, den Tom Tanaka im Ohr trug, gab einen knackenden Laut von sich. Sofort war er hellwach.
    Wegen des Mondscheins war es in dem kleinen Raum so hell, dass Tanaka sich darin bewegen konnte, ohne das Licht einzuschalten. Licht hätte man von draußen sehen können, und das wollte er nicht. Außerdem hatte er in den letzten Wochen so viel Zeit in diesen vier Wänden verbracht, dass er sich auch blind zurechtgefunden hätte.
    Er stellte das Tonband auf dem Tisch an und ging zum Fenster. Dort standen zwei Stative. Auf einem hatte er ein Richtmikrofon montiert, auf dem anderen eine hochauflösende, lichtempfindliche Kamera. Beides benötigte er, um das Gebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu überwachen. Durch die Kamera beobachtete er das Geschehen. Gleichzeitig hörte er über den Mini-Lautsprecher im Ohr alles mit.
    Im Sucher erschien Lara Mosehni. Oder Jennifer Watson. Oder Carla Macnamara. Auf ihren Reisen rund um den Globus benutzte sie alle drei Namen. Aber Tanaka war ziemlich sicher, dass ihr richtiger Name Lara Mosehni lautete.
    Er drückte auf den Auslöser und fragte sich, wo die Frau so lange gewesen war. Er hatte bereits befürchtet, sie aus den Augen verloren zu haben. Eine ganze Woche lang war sie wie vom Erdboden verschluckt gewesen.
    Aber jetzt war sie wieder da. In ihrer Wohnung.
    Auch sie schaltete das Licht nicht ein, weshalb das Bild im Kamerasucher beinahe schwarz-weiß aussah. Tanaka war das gleichgültig. Hauptsache, er konnte sie ungehindert beobachten.
    Als Erstes ging sie ins Schlafzimmer. Dort warf sie irgendeinen Gegenstand aufs Bett. Tanaka betätigte den Zoom und erkannte, dass es sich um eine Pistole handelte. Das wunderte ihn kaum. Im Gegenteil, er hatte es erwartet. Erstaunt war er höchstens darüber, dass die Frau nicht noch mehr Waffen bei sich führte.
    Er zoomte das Bild wieder weg und verfolgte Lara Mosehni bis ins Badezimmer. Da sie trotz Dunkelheit den Vorhang zuzog, musste Tanaka sich jetzt allein auf die Aufnahme des Richtmikrofons verlassen.
    Er hörte, wie Wasser angestellt wurde. Dann minutenlanges Rauschen. Als es endete, vernahm er nur noch leises Plätschern. Lara Mosehni musste sich ein Bad eingelassen haben.
    Tom Tanaka entschloss sich zu einem kurzen Statusbericht, denn er hatte schon viel zu lange keinen Erfolg mehr zu vermelden gehabt. Er griff nach seinem Handy, tippte eine Nummer ein, ließ es einmal klingeln und unterbrach dann die Verbindung. Kurz darauf meldete sich sein Vibrationsalarm, und eine blecherne Stimme nannte ihm eine Telefonnummer mit abhörsicherer Leitung. Tanaka notierte sie auf einem Zettel, beendete die Verbindung und wählte die neue Nummer.
    Ein paar Minuten später hatte er alles berichtet, was es zu berichten gab. Der Mann am anderen Ende schien zufrieden,mahnte Tanaka aber auch, die Frau nicht noch einmal aus den Augen zu verlieren. Tanaka bekräftigte, sein Möglichstes zu tun, und beendete das Gespräch.
    Er wollte sich schon wieder seiner Observierung widmen, als ihm einfiel, dass er die notierte Telefonnummer vernichten musste. Keine Spuren hinterlassen – das war wichtig in seinem Job. Er ging in die Küche, zündete den Zettel an und steckte ihn in eine leere Konservendose. Lautlos
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