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Der Zorn Gottes

Der Zorn Gottes

Titel: Der Zorn Gottes
Autoren: Paul Harding
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biß sich auf die Lippe und erklärte kopfschüttelnd:
     »Es ist nichts, Sir John, gar nichts. Sie sind Euch nur so ähnlich.«
    »Sir John! Sir John!
     Wie geht es Euch?«
    Cranston erschrak und blickte
     auf. Athelstan stand vor ihm; das olivfarbene Gesicht war verschwitzt, das
     schwarzweiße Habit mit dem schwarzen Strick um den Leib staubig.
    »Bei den Zitzen des
     Satans!« schnaufte Cranston. »Was machst du denn hier, Mönch?«
    »Ordensbruder, Sir
     John.« Grinsend zog Athelstan einen Schemel heran und setzte sich.
     »Ich bin über die London Bridge gegangen, um meinen Pater Prior
     in Blackfriars zu besuchen. Er läßt mich wichtige Passagen aus
     Roger Bacons Werk über die Astronomie abschreiben. Ich war bei Euch
     daheim, und die Magd sagte, Ihr wäret nicht da. Ach, übrigens
     frißt Leif, der Bettler, gerade Euer Abendessen.«
    Cranston starrte den Bruder
     an. Du lügst, dachte er. Ich wette, du bist hergekommen, weil du mich suchst. Ich weiß, daß
     Lady Maude darum gebeten hat. Dennoch war Athelstans Fürsorglichkeit
     herzerwärmend.
    »Du willst mich
     bestimmt zu einem Becher einladen.«
    Geschäftig kam die
     Wirtin heran.
    »Ich habe schon
     bestellt«, sagte Athelstan. »Rotwein für Mylord Coroner,
     und einen Humpen vom kühlsten Ale für mich.« Athelstan
     nippte an dem Schaum und lächelte. »Ihr habt recht, Sir John.
     Im Himmel muß es Schenken geben.«
    »Was machen die
     Halunken in deiner Pfarrei?« wollte Cranston wissen.
    »Sie sind Sünder
     wie wir alle, Sir John«, antwortete Athelstan. »Bonaventura fängt
     die Ratten dutzendweise. Benedicta bereitet ein Erntefest vor. Ich habe
     angeboten, Brot zu backen, bevor mir einfiel, was für ein
     hoffnungsloser Koch ich bin. Watkin, der Mistsammler, liegt sich immer
     noch in den Haaren mit Pike, dem Grabenbauer.« Athelstan grinste.
     »Watkins Frau hat Pike im Kirchenvorraum umgerannt. Sie behauptet,
     er war betrunken und ist gestolpert. Was beide nicht wissen, ist, daß
     eine von Watkins Töchtern Pikes ältesten Sohn heiraten will.«
    »Wissen die Familien es
     denn?«
    »Noch nicht. Aber wenn
     sie es erfahren, werdet Ihr das Geschrei bis in die Cheapside hören.
     Cecily, die Kurtisane, hat einen neuen Beau und deshalb auch täglich
     ein neues Kleid. Und Huddle bemalt jetzt im neuen Altarraum die Wände.«
     Athelstan stellte seinen Humpen hin und machte ein ernstes Gesicht.
     »Da sind noch zwei Angelegenheiten«, fuhr er leise fort und
     verfiel dann in ein ärgerliches Schweigen.
    Oh nein, dachte Cranston, du
     willst doch wohl nicht das Rattenloch von
     Pfarrgemeinde verlassen, das du so sehr liebst? Oder hat man dich etwa von
     deinem Amt als mein Schreiber entbunden?
    Cranston musterte den verträumt
     blickenden Ordensbruder. Wegen früherer Torheiten war Athelstan zum
     Gemeindepriester von St. Erconwald und zu Cranstons Secretarius ernannt
     worden. Als Novize hatte er Blackfriars verlassen und war mit seinem
     heldengläubigen kleinen Bruder nach Frankreich in den Krieg gezogen.
     Der Junge war gefallen, und Athelstan war heimgekehrt zu dem Schmerz
     seiner Eltern und dem wütenden Tadel seiner Ordensoberen. 
    »Nun, was gibt's denn?«
     fragte Cranston gereizt.
    »Glaubt Ihr an den
     Satan, Sir John?«
    »Jawohl, und da drüben
     sitzt der Scheißer.« Cranston deutete auf den Reliquienhändler,
     der mit einem anderen Gauner ins Gespräch vertieft in einer Ecke der
     Schenke saß. Athelstan lächelte und schüttelte den Kopf.
    »Nein, Sir John, ich
     meine den echten Satan.« Die Worte sprudelten aus ihm hervor.
     »Glaubt Ihr, daß er jemanden in Besitz nehmen kann?«
    Sir John richtete sich auf.
     »Ja, Pater, das glaube ich. Ich glaube, daß es eine
     Geisterwelt gibt, in der Wesen gegen Christus und Seine Heiligen wüten.
     Ich glaube allerdings auch, daß der normale Dämon auf seinem
     Fels in der Hölle hockt und weint, wenn er sieht, zu welchen
     Schlechtigkeiten der Mensch sich versteigt. Warum fragst du?«
    Athelstan spielte mit seinem
     Humpen. »Vielleicht ist der Satan nach Southwark gekommen. Heute
     morgen nach der Messe kam eine Frau zu mir und behauptete, ihre Töchter
     sei besessen. Jede Nacht spreche der Teufel aus ihr und beschuldige ihren
     Vater, seine erste Frau, ihre Mutter, ermordet zu haben.« Athelstan
     betrachtete blinzelnd seinen Humpen. »Die Frau hat mich um einen
     Exorzismus gebeten.«
    Sir John bedachte ihn mit
     einem seltsamen Blick. »Aber Athelstan, mit solchen Dingen
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