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Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle

Titel: Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle
Autoren: Christoph Hardebusch
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Aufmerksamkeit, sammelte die richtigen Worte in seinem Geist. Dann fuhr er fort: »Wenn ihr nun hineingeht und den Voivoden ehrt, dann bedenkt, wofür er einstand. Bedenkt, wofür er gelebt hat. Was er uns gegeben hat und was wir von ihm lernen sollten. Ich weiß, was ich gelernt habe. Dieses Land braucht Frieden.«
    Es gab keinen Jubel, keine Beifallsbekundungen. Vielmehr waren viele Häupter gesenkt. In einigen Tagen würde Natiole der neue Voivode des Landes sein. Seine Herrschaft wurde bereits jetzt als schicksalsgegeben angesehen. Zu ihrem Beginn war der Weiße Bär erschienen und hatte das Land gerettet. Einige munkelten sogar, dass Şten eine Inkarnation des Weißen Bären gewesen sei, der mit Ştens Tod wieder in seiner ursprünglichen Gestalt in die Welt zurückgekehrt sei. Aber das glaubte Natiole nicht. Er kannte Kerrs Geschichte.
    Vielleicht hören sie nicht auf mich. Vielleicht werden die Kriegstreiber weiter Macht ansammeln und Verbündete
    suchen, dachte Natiole, als er in die Vorhalle schritt, wo Handwerker damit beschäftigt waren, die alten Mosaike nachzuarbeiten. Aber ich werde niemals vergessen, was Vater mir beizubringen versucht hat. Er trat in die neue große Halle. Inmitten der Säulen war er allein, einen kostbaren Moment lang. Er wusste, dass dies nicht lange so bleiben würde. Ein Voivode hatte selten Zeit für sich.
    Die Wände um ihn her waren noch nackt. Der Halle fehlte noch Leben. Seine Schritte auf dem glatten Boden hallten von den Wänden wider. Hier würden die Entscheidungen getroffen werden, die über das Schicksal von Wlachkis bestimmten. Die Zukunft lag vor ihm.
    Er war bereit, sie anzunehmen.

78
    Erhastete so schnell durch die Gänge, wie es sich gerade noch geziemte. Sein Kypassis behinderte ihn, das Gewicht des golddurchwirkten Stoffes lastete schwer auf seinen Schultern, und in der Wärme des Gebäudes war der dicke Stoff eine Tortur. Aber es war sein prunkvollstes Gewand, und er musste den bestmöglichen Eindruck machen.
    Die Diener und Beamten machten ihm höflich Platz, als er an ihnen vorübereilte. Er hatte keinen Blick für sie übrig. Auch die wundervollen Kostbarkeiten, die Kunstwerke aus allen Teilen des Reiches, die edelsteinbesetzten Säulen, all die Pracht und der Prunk des größten Palastes der Welt konnten seine Aufmerksamkeit nicht binden. Vielleicht hätte er sich am Reichtum und an der Macht ergötzen können, wenn er es nicht derartig eilig gehabt hätte.
    Als er zur Säulenhalle kam, verlangsamte er seine Schritte wieder. So würdevoll, wie er es außer Atem und schwitzend sein konnte, schritt er den Säulengang entlang. Bevor er jedoch in die erste der Vorhallen eintreten konnte, versperrten ihm zwei goldene Gardisten den Weg. Ihre Mienen waren unbewegt, und sie sahen ihn nicht einmal an.
    »Fort mit euch«, forderte er sie auf. »Ich habe eine Audienz …«
    Weiter kam er nicht, denn ein Beamter trat aus dem Durchgang und verneigte sich vor ihm.
    »Willkommen, Kamros.«
    Die verkürzte Anrede missfiel ihm, weshalb er nur leicht nickte.

    »Pilon. Danke für den Empfang. Führ mich hinein.«
    »Ich fürchte, das ist nicht möglich, Phrykos.«
    »Nicht möglich? Ich habe eine Audienz beim Goldenen Imperator!«
    Das Gesicht seines Gegenübers zeigte ein entschuldigendes Lächeln, aber Kamros sah in Pilons Augen, dass er von der Schroffheit beleidigt war. Gut so, du aufgeblasener, anmaßender Emporkömmling.
    »Das ist mir bewusst, Phrykos, doch derzeit ist ein anderer in der salbungsvollen Nähe unseres geliebten Herrschers und genießt seine segensreiche Aufmerksamkeit. Es kann sich nur noch um wenige Augenblicke handeln. Doch bis dahin muss ich dich untertänigst bitten, zu warten.«
    Zur Antwort brummte Kamros nur. Die angemessene Höflichkeit war Balsam für sein geschundenes Selbstbewusstsein.
    Mit einer weiteren Verbeugung verschwand Pilon wieder in den Schatten des Durchgangs.
    Vielleicht ist es so besser, erkannte Kamros, während Körper und Geist sich beruhigten. Atemlos vor den Herrn des Reiches zu treten wäre wohl nicht ratsam gewesen. Und so konnte der Beamte noch einmal all die Sätze durchgehen, die er sich auf der langen und beschämenden Reise zurechtgelegt hatte. Die Schuld an der Katastrophe lag eindeutig bei den Skleron und den Phirus. Ihre Inkompetenz hatte das Imperium seinen sicheren Sieg über die Barbaren gekostet. Die härtesten Strafen waren nur angemessen für ihr Versagen. Er, Kamros, war ein loyaler und effizienter Diener,
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