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Der Zimmerspringbrunnen

Der Zimmerspringbrunnen

Titel: Der Zimmerspringbrunnen
Autoren: Jens Sparschuh
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bereiten. Dann schon lieber alles hinschmeißen. Das war ich ihm, glaube ich, schuldig.
    Zum Abschied drückte jeder von uns sich noch ein bemühtes Lächeln aufs Gesicht.
    Auch im folgenden, wenn Uwe sich mir, manchmal ziemlich unverblümt und eindeutig, »aus dieser Richtung« zu nähern versuchte, bewahrte ich Ruhe, wehrte ich das freundlich, aber kategorisch, ab.
    Da ich nach dem Vorfall »Hobbyraum« Schwierigkeiten hatte, Uwe ins Gesicht, in die Augen zu sehen, benutzte ich jetzt wieder häufiger, obwohl wir November hatten, die Sonnenbrille. Strüver sagte zwar nichts dazu, er schien sich aber, als hätte er nach seinem Vorstoß auch gar nichts anderes erwartet, damit abzufinden.
    Er wollte dann auch wieder mit mir zusammen »auf Tour« (!) gehen … Das mußte ich natürlich verhindern! Als ich ihm sagte, es wäre doch besser, ich ginge, wie gehabt, alleine, und: er solle sich da bitte keine falschen Hoffnungen machen – nickte er; er hatte mich also verstanden (obwohl, sein Lachen hatte da etwas Beängstigendes).
    Daß wir unterschiedlich »gepolt« waren, merkte ich natürlich auch an ganz anderen Dingen, zum Beispiel, um einen etwas weniger verfänglichen Bereich zu nennen: in den politischen Auffassungen.
    Nach einer Routine-Abendbesprechung hatte mich Strüver noch mit dem Lift nach unten gebracht (machte er sich etwa noch immer Hoffnungen?). Im Hotelfoyer allerhand lichtscheue Gestalten. Ich sagte sinngemäß: Früher, im Sozialismus, gab es die Regierungskriminalität. Das war zwar nicht schön, aber es war auf einen kleinen Kreis beschränkt. Jetzt – das nimmt ja richtig Ausmaße an …
    Strüver schüttelte fassungslos den Kopf. Er wollte mich noch zu einem Whiskey an die Bar einladen, wollte wissen, wie ich das meinte … Ich wußte natürlich sofort, was er im Sinne hatte, und lehnte ab.
    Dann aber auch wieder andere, gute Erfahrungen mit ihm!
    Ein paar Abende später, oben, bei ihm im Hotelzimmer. Uwe saß auf dem Sofa und tippte die Aufstellung in den Laptop.
    Er hatte eine Kerze angezündet. Es war Advent.
    Ich saß fernab im Sessel – ich achtete jetzt immer auf einen gewissen Sicherheitsabstand – und diktierte ihm die Wochenzahlen.
    Im Fernsehen lief die Nachrichtensendung. Irgendein Topspion der Staatssicherheit, jahrelang im Brüsseler NATO – Hauptquartier, war enttarnt worden.
    Uwe, ganz beiläufig, den Blick manchmal kurz vom Laptopschirm zum Fernsehschirm hebend, fragte mich: »Sag mal, Hinrich, warst du eigentlich mal bei der ›Firma‹? So nannte man das ja wohl früher bei euch …«
    »Nö«, sagte ich, mein Finger stand in Warteposition auf der nächsten Zahl.
    Uwe sah freundlich zu mir herüber: »Eine andere Antwort hätte ich auch gar nicht von dir erwartet.«
    Da war sie wieder – unsere gute vertraute Arbeitsatmosphäre! Und obwohl sich die alte Unbefangenheit natürlich nie wieder ganz herstellen ließ, blieb es doch bis zuletzt zwischen uns kollegial und freundlich; ich würde sagen: war es fast wieder ein einwandfreies Verhältnis geworden.
    Doch.

– Alle Jahre wieder!
Countdown –
    Neugierig, und mit offenem Maul, hatte Freitag die Flugbahn meines Hausschuhs verfolgt – und schließlich dessen glückliche, aber knappe Landung, dicht vor dem Fernseher, mit einem kurzen Beller begrüßt; er selbst aber hatte sich nicht vom Fleck gerührt.
    Am Ausgangspunkt dieser ballistischen Kurve, die, angenähert der Diagonale, in schrägem Bogen durch das Zimmer verflogen war, stand mein Sofa. Dorthin nämlich, zu meinen Ursprüngen, war ich kurzfristig zurückgekehrt. Am 20.   12. hatte ich meinen anteiligen Jahresurlaub angetreten. Doch zu einer Hängepartie im alten Stile sollte und konnte es – so sehr es auch meinen Körper danach dürstete – schon nicht mehr kommen. War ich unterdessen ein anderer geworden? Womöglich, ohne es zu merken: der neue Mensch?
    Bis Anfang nächsten Jahres jedenfalls mußte die Entscheidung, Vertriebsleiter – ja oder nein?, gefallen sein. Besinnung und Entschluß waren gefordert. Auch in anderen Dingen, Julia zum Beispiel.
    Desto mehr regte mich Freitags demonstrative, zur Schau getragene Tatenlosigkeit auf. Ich tastete, jetzt richtig blind vor Wut, nach dem zweiten Pantoffel und schickte auch diesen auf die Reise …
    Wieder blieb Freitag, wie am Boden festgeklebt, sitzen.
    »Beweg dich doch endlich mal, du fauler Hund«, herrschte ich ihn an, »komm, mach los! – Das Leben, Mensch, das Leben ist unendlich viel mehr
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