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Der Zeichner der Finsternis

Der Zeichner der Finsternis

Titel: Der Zeichner der Finsternis
Autoren: Ilsa J. Bick
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»Aber das muss man alles abwarten. Ich kapiere bloß nicht, wo Dekker abgeblieben ist. Er ist euch doch in den Wald nachgekommen, oder?« Ich nickte. »Wieso haben wir dann keine Spuren gefunden? Sein Motorrad haben wir sichergestellt, damit ist er also nicht abgehauen. Seine beiden Kumpels rücken natürlich nicht mit der Sprache raus.« Onkel Hank schaute auf die Uhr. »In ein paar Stunden wird es hell. Vielleicht haben die Hunde mehr Erfolg.«
    »Vielleicht«, stimmte ich ihm zu, aber ich war sicher, dass Karl Dekker diese Welt ein für allemal verlassen hatte.
    Dr. Rainier trat aus dem Fahrstuhl, und wir standen auf. »Wie geht’s Sarah?«, fragte ich.
    »Sie hat ein Beruhigungsmittel bekommen und schläft wahrscheinlich bis heute Nachmittag durch. Körperlich ist sie unversehrt, aber sie hat einen Schock erlitten und kann sich nur undeutlich an das erinnern, was vorgefallen ist. Eine Gehirnerschütterung haben wir ausgeschlossen. Ihr CT und die neurologischen Befunde sind auch in Ordnung. Man muss abwarten, ob sich die psychogene Amnesie wieder legt.«
    »Kann sie sich denn an gar nichts erinnern?«, fragte Onkel Hank.
    »Das habe ich nicht behauptet. Sie ist einfach noch sehr mitgenommen, und das, was sie erzählt, ergibt keinen rechten Sinn.«
    »Was hat sie denn erzählt?«, erkundigte ich mich.
    »Dass ein helles Licht Dekker verzehrt hat.« Dr. Rainier sah mich scharf an. »Dass das Licht die Dunkelheit besiegt hat.«
    Mir blieb die Spucke weg.
    »Stimmt, das ergibt tatsächlich keinen Sinn«, meinte Onkel Hank enttäuscht.
    »Jedenfalls nicht für Sie und mich«, sagte Dr. Rainier.
    + + +
    Dr. Rainier und Onkel Hank gingen in die Krankenhaus-Cafeteria frühstücken. Ich blieb sitzen.
    Nach zwanzig Minuten kam Justin und verkündete, dass der Hundeführer in einer halben Stunde am Haus der Schoenbergs sein würde. »Die Feuerwehr sagt, das Haus ist so weit in Ordnung. Nur die Veranda muss erneuert werden.« Er ging Onkel Hank suchen, und ich erwog, mich auf die Sitze zu legen und zu schlafen. Doch eigentlich war ich noch viel zu überdreht.
    Ich wachte auf, als mich jemand antippte. »Bist du Christian Cage?«
    »Hä?« Ich setzte mich verschlafen auf. Mein Nacken war verspannt, und ich hatte im Schlaf gesabbert. Ein schlanker Mann mit wachen braunen Augen und sorgfältig gestutztem Bart stand vor mir. »Ja … äh … ich bin Christian.«
    »Rabbi Saltzman. Wir haben telefoniert.«
    »Ach so, ja.« Wir gaben uns die Hand. Sein Griff war fest, seine Hand angenehm warm. »Wie spät ist es?«, fragte ich. »Was machen Sie hier?«
    »Kurz nach neun. Darf ich mich zu dir setzen?«
    »Hm? Klar.« Ich rieb mir das Gesicht. Er nahm neben mir Platz, und mir fiel auf, dass er eine kleine gehäkelte Kappe mit einem Davidstern auf dem Kopf hatte.
    »Ich wollte heute sowieso herkommen«, sagte er, »und David Witeks Sarg abholen. Aber dann habe ich gehört, was Mrs Schoenberg zugestoßen ist.«
    »Woher kennen Sie …?«
    »Steve Schoenberg und ich waren zusammen auf der Konferenz. Ich wollte ihn nicht allein lassen und bin mit ihm hergefahren. Er ist jetzt bei seiner Frau.«
    »Ist sie aus dem OP raus?« Ich hatte offenbar geschlafen wie ein Stein. »Wie geht es ihr?«
    »Sie bleibt am Leben, mehr kann man noch nicht sagen. Heute Nachmittag wird sie nach Milwaukee gebracht. Willst du dich kurz frisch machen und dann mit mir frühstücken? Wir können bestimmt eine Zahnbürste für dich auftreiben.«
    Tatsächlich hatte ich einen scheußlichen Geschmack im Mund. Eine Schwester brachte mir ein Päckchen mit Zahnbürste, Seife und Waschlappen, wie es sonst die Patienten bekamen, und ein frisches OP-Shirt. Hinter dem Bereitschaftsraum der Ärzte gab es ein Bad mit Dusche. Danach ging ich mit Rabbi Saltzman in die Cafeteria. Mit den Pfannkuchen hätte man Frisbee spielen können, aber ich schlang sie gierig herunter.
    Rabbi Saltzman trank nur einen Kaffee. Er wartete, bis ich aufgegessen hatte, dann sagte er: »Du hast ja wohl eine schlimme Nacht hinter dir, beziehungsweise einen aufregenden Monat – so viel hat mir Dr. Rainier schon berichtet.«
    Die Pfannkuchen in meinem Magen verwandelten sich in Bleiklumpen. »Was hat sie Ihnen denn alles erzählt?«
    Er konnte offenbar Gedanken lesen, denn er antwortete: »Keine Sorge, nichts Persönliches. Nur was letzte Woche passiert ist – dass du die Leichen in der Scheune entdeckt hast. Sie hat sich ziemlich vage ausgedrückt. Anscheinend hast du dabei eine …
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