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Der zehnte Richter

Der zehnte Richter

Titel: Der zehnte Richter
Autoren: Brad Meltzer
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ich.«
    Unsicher trat Ben ein, zwang sich zu einem Lächeln und setzte sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch. »Schön, wieder hier zu sein«, sagt er.
    Mason Hollis verfolgte die Entwicklung der Rechtsprechung schon seit über dreißig Jahren und war der zugänglichste der neun Obersten Richter. Geboren als ältestes von sieben Geschwistern und selbst fünffacher Vater, strahlte er eine väterliche Ruhe aus. Es ging das Gerücht, daß er bei einem Baseballspiel in Yale absichtlich einen Ball verschenkt hatte, weil er der Meinung war, die gegnerische Mannschaft hätte sonst zu hoch verloren. Als Richter im Bezirk D.C. hatte er einmal eine Fristverlängerung gewährt, damit der Verteidiger sich »richtig ausschlafen« konnte. Nach Auskunft aller Mitarbeiter des Gerichts war Hollis der einzige Richter, vor dem keiner Angst hatte. In diesem Augenblick jedoch zitterten Ben Addison die Knie.
    »Wie geht es Ihnen?« Hollis strich sich mit der Hand über sein schütteres weißes Haar, so daß die Finger über die zahlreichen Leberflecken wanderten, die seine Kopfhaut schmückten.
    »Ganz gut«, sagte Ben, ohne seinem Vorgesetzten ins Gesicht sehen zu können.
    »Sieht ganz so aus, als könnten Sie froh sein, noch zu leben, nicht wahr?«
    »Wahrscheinlich.« Hollis ergriff einen Bleistift und begann, an dessen Radiergummi zu kauen. »Nun seien Sie mal nicht so niedergeschlagen«, sagte er. »Sie sollten stolz auf sich sein. Rasche Auffassungsgabe und so weiter.« Da Ben nicht reagierte, fügte er hinzu: »Ein schwächerer Mensch wäre von so etwas niedergerissen worden.«
    »Ich bin froh, daß es endlich vorbei ist.«
    Hollis lächelte ihn an. »Ich muß Ihnen sagen - als ich Sie und Lisa einstellte, war mir schon klar, daß Sie ein lebhaftes Gespann sein würden. Daß es so lebhaft würde, habe ich zwar nicht erwartet, aber man kann nicht alles haben.«
    Ben klopfte mit dem Fuß auf den dicken, burgunderroten Teppichboden und sehnte sich danach, daß Hollis endlich auf den Punkt kam. Er wollte seine Entscheidung erfahren. »Darf ich Sie etwas fragen?« platzte er heraus. »Kann ich meine Stelle behalten?«
    »Ben -«
    »Da ich bei Ricks Festnahme geholfen habe, wird man rechtlich nicht gegen mich vorgehen«, erklärte Ben mit unsicherer Stimme. »Die Marshals sagten, meine Personalakte würde vollständig sauber bleiben, und sie wollen mir eine Belobigung aussprechen, weil ich bei Lungens Überführung mitgewirkt habe. Sie haben ihn heute morgen festgenommen.«
    »Ben, es tut mir leid ...«
    »Die Marshals sagten, ich könnte -«
    »Ben, hören Sie mir bitte zu«, unterbrach Hollis ihn. »Theoretisch mögen Sie unschuldig sein, aber Sie haben den Ehrenkodex dieses Gerichts verletzt. Ich habe keine andere Wahl, als Sie ziehen zu lassen.«
    Es war halb neun Uhr abends, als Ben nach Hause zurückkehrte. Eric saß am Eßtisch und beugte sich über eine kleine Leinwand. Er spritzte mit den Fingern rote, blaue, gelbe und grüne Farbtropfen darauf, um das abstrakte Gemälde nachzuschöpfen, das er direkt auf die Wand aufgetragen hatte. Es war Erics vierter Versuch, sein Werk zu kopieren; nur eine nahe Entsprechung würde geeignet sein, in Obers Sarg zu liegen. Als er Ben eintreten sah, reinigte er seine Finger mit einem terpentingetränkten Lappen und kam auf ihn zu. »Was ist passiert?« schoß er los. »Wie geht's dir? Was ist mit deiner Schulter? Was hat man dir gesagt? Warum hast du so lang gebraucht?«
    Ben zog seinen Mantel aus und hängte ihn in den Schrank. Dann drehte er sich zu Eric um und gab ihm eine einzige Antwort: »Man hat mich rausgeschmissen.«
    »Was?« sagte Eric, während Ben in die Küche ging. »Das darf doch wohl nicht wahr sein. Erzähl mir, was passiert ist.«
    Ben ließ sich ein großes Glas Wasser einlaufen. »Es gibt nichts zu erzählen. Man hat mich rausgeschmissen. Ich habe Hollis alles erzählt, er hat mir zugehört, hat versucht, mir die Sache leichter zu machen, und dann hat er mich gefeuert. Anschließend hat er mich zu Osterman gebracht, und nach einem langen Vortrag durfte ich gehen. Das ist alles. Ich arbeite nicht mehr am Obersten Gerichtshof.«
    Ben leerte das Glas in einem Zug.
    »Was haben sie dir noch gesagt?«
    Ben ignorierte Erics Frage. »Wo ist Nathan?«
    »Der ist nach Boston gefahren. Morgen ist doch Obers Beerdigung.«
    Ben ließ langsam seine Schulter kreisen, bis ein scharfer Schmerz einsetzte. »Hat er irgendwas gesagt?«
    »Er hat mir die Geschichte mit Rick erzählt, hat
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