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Der Zauber deiner Lippen

Der Zauber deiner Lippen

Titel: Der Zauber deiner Lippen
Autoren: OLIVIA GATES
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verfolgte. Weil es ein Leben vernichtet hatte und sein eigenes vergiftete.
    Aber das sollte ihm nichts ausmachen. Und er hätte sich nicht so sehr um sie kümmern sollen, zumindest nicht mehr als um seine anderen Patienten. Denn es sah ihm nicht ähnlich, wegen einer Patientin die anderen zu vernachlässigen. Doch genau das hatte er getan. Dabei hatte er hoch qualifizierte Pflegekräfte, die diese Aufgaben sehr gut hätten übernehmen können. Aber er hatte keine Wahl, er musste bei Cybele bleiben. In den drei Tagen nach der Operation war er nicht von ihrer Seite gewichen. Und sooft er sich auch sagte, dass er sich um seine anderen Patienten kümmern müsste, er vermochte es nicht, sich von ihr zu lösen. Sie schwebte in Lebensgefahr, und er konnte sie nicht verlassen.
    Sie musste wieder aufwachen, ihn mit ihren großen blauen Augen ansehen, die ihn von Anfang an bezaubert hatten. Hin und wieder hatte sie diese Augen auch aufgeschlagen, aber Rodrigo sah sofort, dass sie noch im Koma lag und nichts wahrnahm. Auch ihn nicht, der sie schon nach der ersten Begegnung nicht hatte vergessen können.
    Doch als sie zwei Tage zuvor die Augen geöffnet hatte, hatte er bemerkt, dass etwas anders war. Wach, wenn auch verwirrt hatte sie um sich geblickt, und als sie ihn angesehen hatte, hatte sie kurz die Stirn gerunzelt, als dämmere ihr etwas. Sein Herz hatte wie verrückt geschlagen, als sie ihn kaum merkbar angelächelt hatte. Irgendetwas, womit er nicht gerechnet hatte, war in ihr vorgegangen, obgleich ihr Verhalten ihn hätte darauf hinweisen müssen. Wie ein Kätzchen, das endlich seinen Besitzer gefunden hatte, hatte sie sich an ihn geschmiegt, und der Kuss auf die Wange und die kurze Lippenberührung hatten nicht nur bei ihm heiße Gefühle ausgelöst, das hatte er genau gespürt.
    Doch sie hatte ihn nicht erkannt. Denn die Cybele Wilkinson von früher, die er einfach nicht aus seinen Gedanken und seinem Herzen verbannen konnte, hätte ihn nie so angesehen oder berührt, wenn sie bei sich gewesen wäre. Wenn sie gewusst hätte, wer er war. Ganz offensichtlich war er ihr fremd.
    Sofort war die Versuchung da gewesen, die Situation auszunutzen. Da Cybele sich nicht an die Vergangenheit erinnerte, könnte er doch eine ganz neue unbelastete Beziehung zu ihr aufbauen. Endlich gab es die Chance, dass sie sich nicht mehr länger als Feinde gegenüberstanden.
    Aber das war unmöglich, das durfte nicht sein. Besonders jetzt nicht.
    „Warum sprichst du denn noch immer nicht mit mir?“ Ihre Stimme klang nicht mehr rau, sondern sanft und weich wie eine Liebkosung.
    Gegen seinen Willen wandte er sich zu ihr um. „Das stimmt nicht. Jedes Mal, wenn ich hier war, habe ich mit dir gesprochen.“
    „Na ja, vielleicht zwei Sätze alle zwei Stunden in den letzten zwei Tagen“, schmollte sie. „Das war eher eine Therapie als ein menschlicher Kontakt. Andererseits hast du wirklich häufig nach mir gesehen, das muss ich zugeben.“
    Viel zu oft. Das war gar nicht nötig gewesen. Aber er hatte es einfach tun müssen. „Du solltest möglichst wenig sprechen wegen deiner wunden Kehle. Und außerdem ist strikte Ruhe erforderlich, damit deine Erinnerungen zurückkommen.“
    „Seit gestern habe ich keine Schmerzen mehr. Erstaunlich, was bestimmtes Essen und Trinken für Wunder vollbringen können. Und an meinen Gedächtnisverlust habe ich bisher keinen Gedanken verschwendet. Ich weiß, ich sollte beunruhigt sein, aber ich bin es nicht. Vielleicht ist das eine Nebenwirkung des Traumas. Vielleicht aber will ich mich unterbewusst auch gar nicht erinnern.“
    „Warum denn das nicht?“, fragte er hastig.
    Sie lächelte kurz. „Wenn ich das wüsste, hätte es ja nichts mit meinem Unterbewusstsein zu tun. Ergibt das einen Sinn, oder erscheint es nur mir logisch?“
    Mit Mühe löste er den Blick von ihren verführerischen Lippen und sah ihr in die Augen. „Nein, ich verstehe, was du meinst. Ich kann mich nur nicht damit abfinden, dass du wirklich das Gedächtnis verloren haben solltest.“
    „Umso mehr ist meine Fantasie bemüht, herauszufinden, aus welchen Gründen ich wohl nicht erinnern kann oder will, was früher war.“
    „Und weshalb, meinst du, ist das so?“
    Sie lachte kurz auf. „Vielleicht war ich eine berüchtigte Verbrecherin oder eine Spionin, die alles vergessen will, um noch einmal neu anzufangen. Das ist jetzt die Gelegenheit, und deshalb sträubt sich alles in mir, mich zu erinnern. Ich will gar nicht wissen, wer ich bin.“
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