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Der Wolfsmann

Der Wolfsmann

Titel: Der Wolfsmann
Autoren: Horst Hoffmann
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er ihr entgegengebracht hatte, waren erloschen.
    Drundyrs Hiersein konnte nur mit der Magie Drudins in Zusammenhang stehen. Mythor bot sich die Gelegenheit, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, wenn es ihm gelang, an Drundyr heranzukommen. Über die Schwierigkeiten dieses Unterfangens machte er sich keine Illusionen. Es war fast unmöglich. Vielleicht erfuhr er etwas über das Schicksal des Herzogs und seiner Tochter und gleichzeitig, was die Caer mit Lockwergen gemacht hatten oder noch planten.
    Als die Gefährten den Marktplatz fast erreicht hatten, hörten sie das Geschrei vieler Krieger. Es war fast eine Art Gesang, der nichts Gutes verhieß. Einige Male hatten sie sich vor Caer-Trupps verstecken müssen. Nun deutete Mythor mit dem Gläsernen Schwert auf ein Haus, das um einige Stockwerke höher war als die umliegenden. »Von dort oben haben wir freie Sicht auf den Marktplatz«, sagte er.
    Sie betraten es.
    Mythor hatte sich in der letzten halben Stunde alles mögliche in Gedanken zurechtgelegt und geglaubt, auf das Schlimmste vorbereitet zu sein. Als er nun aus einem Fenster des obersten Geschosses blickte, glaubte er, sein Herz müsse stehenbleiben. Was er sah, jagte ihm einen eisigen Schauer nach dem anderen über den Rücken. Nottr fluchte unterdrückt, und Kalathee stieß einen heiseren Schrei aus.
    Und doch war das, was die vier mit ansehen mussten, nur das Vorspiel zu etwas viel Grauenvollerem. Während Mythor fassungslos auf den Marktplatz starrte und das, was sich seinen Augen bot, zu erfassen versuchte, näherte es sich der Stadt auf leisen Sohlen.
    Doch Mythor hatte jetzt nur Augen für den hageren, schwarzgekleideten Mann in der Mitte des Platzes, für die Frau an seiner Seite und die Statue, die er in der beginnenden Dämmerung nur undeutlich erkennen konnte.
    *
    Die Statue war noch verhüllt. Die Krieger, die sie vom Schiff aus ins Zentrum der Stadt getragen hatten, warteten schweigend neben ihr auf das Zeichen ihres Priesters. Drundyr stand groß und hager vor einem Altar, den andere Caer an Land gebracht hatten. Tief eingefallene, finstere Augen blickten unter dem bemalten und mit Tierknochen verzierten Helm hervor. Schwarz war der Mantel, schwarz waren die Stiefel und Handschuhe, schwarz die ganze Erscheinung. Nur das Gesicht wirkte wie aus Glas. Über das Kinn und die spitz hervortretenden Wangenknochen spannte sich keine Haut wie bei anderen Menschen. Es war eine Schicht wie aus altem Pergament, eingerahmt von langem, schwarzem, fettig aneinanderklebendem Haar. Drundyr trug im Gegensatz zu den anderen Caer-Priestern keine Gesichtsmaske.
    Neben ihm stand Nyala von Elvinon mit geistesabwesend wirkendem Blick. Die hochgewachsene, üppige Tochter Herzog Krudes von Elvinon trug nun Caer-Kleidung, einen kurzen Waffenrock und eine knappe Fellbluse. Das lange schwarze Haar hing lose über ihre Schultern. Kaum etwas erinnerte noch an das stolze, leidenschaftliche Mädchen, das Mythor ins Schloss seines Vaters gebracht und das ihm den Weg gewiesen hatte, der fortan sein Leben bestimmen sollte. Nyala befand sich völlig im Bann des Caer-Priesters und damit im Bann dessen Dämons. Sie hatte dieses Schicksal selbst gewählt, nachdem ihre Liebe zu Mythor sich in Hass verwandelt hatte, als sie von Mythors Verrat an ihrem Vater erfuhr.
    Auf eine gewisse Art war sie immer noch schön, obwohl sie dunkle Ringe um die Augen und kein Blut mehr in ihren einstmals vollen und leidenschaftlichen Lippen hatte. Ihr schönes Gesicht war eingefallen und aschfahl geworden.
    Nyala gehörte zu Drundyr. Sie war gefesselt von ihm, und Drundyr genoss es, sich mit ihr an seiner Seite zu zeigen. Wo immer er auftrat, war sie bei ihm. Nur manchmal schien es so, als trüge sie tief in ihrem Inneren einen Kampf mit sich aus, als wolle der Funke, der noch von der alten Nyala in ihr war, an die Oberfläche brechen und sie dem Bann entreißen.
    Es begann zu dämmern. Drundyr hob den Kopf etwas und sah zum Himmel auf. Dann betrachtete er wieder gedankenversunken die verlassenen Häuser um den großen Marktplatz herum. Es herrschte jetzt völlige Stille. Die Krieger sangen nicht mehr. Aller Augen waren auf Drundyr gerichtet. Der Priester blickte noch einmal zu den Häuserruinen hinüber und fragte sich zum wiederholten Mal, wer dort einen Brand gelegt habe. Vor einem Gasthaus hatten seine Krieger die Leichen von Männern und Frauen gefunden, die offensichtlich als Plünderer in die verlassene Stadt gekommen waren. Wer hatte sie
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