Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wolfsmann

Der Wolfsmann

Titel: Der Wolfsmann
Autoren: Horst Hoffmann
Vom Netzwerk:
er sich in Mythors Nähe Hilfe und vielleicht seine Rettung erhoffen, bevor er wieder voll in den Bann seines Dämons geriet, wenn dieser seine Absichten gänzlich durchschaute.
    Noch konnte er sie vor ihm verborgen halten. Aber irgendwann würde seine Kraft erlahmen. Der Gedanke war nur scheinbar paradox. Er, der Priester der Caer, beabsichtigte, sich einem Mann anzuschließen, der ganz offensichtlich auf der anderen Seite kämpfte - auf der des Lichtes.
    Und doch trieb ihn etwas in seinem Inneren dazu. Es gab keine andere Möglichkeit. Hier stand er allein auf weiter Flur, und seine Weigerung, mit den Kriegern zu segeln, würde Drudin nicht länger zögern lassen, allerhärteste Maßnahmen gegen ihn zu ergreifen.
    Drundyr schritt kräftiger aus. Nyala blieb folgsam an seiner Seite. Er marschierte weiter nach Süden. Und irgendwo dort hoffte er, Mythor und seine Gefährten zu finden.
    *
    Mythor hatte geglaubt, die Katakomben lägen nur wenige Meter unter der Oberfläche, so, wie es in Lockwergen der Fall gewesen war. Folglich musste auch der Felskamin nur wenige, schlimmstenfalls ein halbes Dutzend Mannslängen hoch sein.
    Das war ein Irrtum gewesen. Obwohl es immer heller und die Luft immer frischer wurde, schien die kraftraubende Kletterei kein Ende nehmen zu wollen. Mythor schwitzte, und immer häufiger rutschten seine Hände an knappen Vorsprüngen ab. Aber er war wie besessen. Irgendwo dort oben, so sagte er sich, steckte Drundyr, und vielleicht war sein Schiff noch nicht ausgelaufen. Vielleicht hatte er nur noch wenige Männer bei sich und musste sich eine neue Besatzung aus den um Lockwergen herum liegenden Dörfern rekrutieren. Mythor wusste, dass er sich unsinnigen Hoffnungen hingab, aber diesmal kämpfte er nicht dagegen an, denn sie gaben ihm die Kraft, sich bis zum Letzten zu verausgaben. Irgendwo musste dieser Kamin ein Ende haben.
    Mythor hatte viel Zeit zum Nachdenken, als er sich allein nach oben arbeitete, und er machte sich schwere Vorwürfe. Er hätte wissen müssen, wie Drundyrs Anblick oder der Klang seiner Stimme auf Nyala wirken würde. Nicht nur die einstmals begehrte Frau war wieder in den Klauen des Caer. Mythor begriff erst jetzt richtig, wie wertvoll sie für ihn hätte sein können, wenn es gelungen wäre, sie zu sich zu bringen. Vielleicht stand sie unter einer magischen Sperre, die verhinderte, dass sie über das sprach, was ihr und ihrem Vater widerfahren war und was sie über die Caer, ihre Kriegspläne und ihre Geheimnisse erfahren hatte. Möglicherweise aber hätte sie Mythor Wissen von unschätzbarem Wert liefern können. Diese Chance war vertan.
    Mythor kletterte weiter. Nur dann und wann hielt er inne, um nach unten zu hören, wo die Gefährten folgten. Mythor hatte erklärt, er wolle voransteigen, um an der Oberfläche mögliche Gefahren auszukundschaften. In Wahrheit wollte er für eine Weile mit sich und seinen Gedanken allein sein.
    Mechanisch setzte er eine Hand über die andere, suchte und fand mit den Füßen Halt auf kleinen Vorsprüngen im Fels oder in Spalten. Zweimal konnte er sich nur mit allergrößter Kraft und Geschicklichkeit durch eine Verengung im Kamin zwängen.
    Endlich sah er die Felsen über sich nach allen Seiten zurückweichen und war überrascht, denn das Licht war nicht so hell, wie es hätte sein sollen. Mythor kletterte weiter, schob seinen Oberkörper ins Freie und schalt sich einen Narren.
    Es konnte nicht heller sein. Dichter Morgennebel verhüllte die Landschaft. Mythor konnte keine dreißig Schritt weit sehen. Aber er wusste eines: Er war nicht in Lockwergen, sondern irgendwo weit außerhalb der Stadt.
    Er stieg ganz aus dem Kamin und rief den Freunden zu, dass auch sie es bald geschafft hätten. Er stand auf der Kuppe eines kleinen Erdhügels. Auf dem Boden, der sich im Lauf der Jahrhunderte auf den Felsen angesammelt hatte, wuchs Gras. Jetzt verstand Mythor, weshalb die Kletterei so lange gedauert hatte.
    Er atmete die frische, würzige Luft und starrte einige Augenblicke in den Nebel. Er genoss es, keine Gewölbe aus Stein über seinem Kopf zu haben, nicht befürchten zu müssen, dass plötzlich Wolfsrudel aus dem Nebel brachen oder andere Gegner auftauchten. Hier war alles ruhig. Ein neuer Tag zog herauf.
    Er kehrte zum Kamin zurück und half den Gefährten heraus. Bald standen sie alle vier nebeneinander.
    Allmählich hob sich der Morgennebel. Saftige Wiesen nach allen Richtungen. Die Freunde hatten keine Ahnung, wo und wie weit von
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher