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Der Winterschmied

Der Winterschmied

Titel: Der Winterschmied
Autoren: Terry Pratchett
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sie.
    »Wegen dem, was du mit dem Winterschmied angestellt hast? Nein. Er muss jedes Jahr sterben, so wie ich. Wir sterben, schlafen und erwachen. Außerdem war es... unterhaltsam.«
    »Ach, es war unterhaltsam, wie?«, fragte Tiffany und kniff die Augen zusammen.
    »Was willst du?«, fragte die Sommerfrau. Ja, dachte Tiffany, genau wie Annagramma. Versteht nicht einmal einen Wink mit dem Zaunpfahl.
    »Was ich will?«, erwiderte Tiffany. »Nichts. Ich möchte nur, dass es Sommer wird, das genügt.«
    Die Sommerfrau musterte sie verwundert. »Aber Menschen wollen immer etwas von Göttern.«
    »Hexen lassen sich nicht bezahlen. Grünes Gras und blauer Himmel reichen völlig aus.«
    »Was? Aber das kriegst du sowieso!« Die Sommerfrau  klang sowohl verwirrt als auch verärgert, und das erfüllte Tiffany mit einer klammheimlichen Schadenfreude. »Gut«, sagte sie.
    »Du hast die Welt vor dem Winterschmied gerettet!«
    »Eigentlich habe ich sie vor einem törichten Mädchen gerettet, Fräulein Sommer. Ich habe nur das wiedergutgemacht, was ich vorher angerichtet habe.«
    »Wegen eines dummen Fehlers willst du keine Belohnung haben? Das wäre aber dumm von dir.«
    »Nein, das wäre nur vernünftig«, sagte Tiffany. Es war ein gutes Gefühl, das zu sagen. »Der Winter ist vorbei. Das weiß ich. Ich war von Anfang an dabei. Ich habe entschieden, dorthin zu gehen, wohin es mich brachte. Es war meine Entscheidung, dass ich mit dem Winterschmied tanzte.«
    Die Sommerfrau stand auf. »Erstaunlich«, sagte sie. »Und seltsam. Und jetzt trennen sich unsere Wege. Aber vorher muss noch eins getan werden. Steh auf, junge Frau.«
    Tiffany kam der Aufforderung nach, und als sie dem Sommer ins Gesicht sah, wurden die goldenen Augen zu Gruben, die sie aufsogen.
    Und dann füllte der Sommer sie aus. Vermutlich vergingen nicht mehr als einige Sekunden, aber in ihrem Innern schien es viel länger zu dauern. Tiffany fühlte, wie es war, als leichte Brise an einem Frühlingstag durch grüne Kornfelder zu streichen, einen Apfel reifen und den Lachs über die Stromschnellen springen zu lassen... Die Eindrücke stürmten alle auf einmal auf sie ein und verschmolzen zu einem großen, glitzernden, goldgelben Gefühl von Sommer ...
    ... der heißer wurde. Die Sonne stand jetzt rot an einem glühenden Himmel. Wie warmes Öl glitt Tiffany durch die Luft bis in die sengende Stille der tiefsten Wüste, wo selbst
    Kamele sterben. Nichts Lebendiges gab es dort. Nichts bewegte sich außer Asche.
    Sie schwebte ein ausgetrocknetes Flussbett entlang, an dessen Ufern weiße Tierknochen lagen. Es gab keinen Schlamm, nicht einen Tropfen Flüssigkeit in diesem Ofen von einem Land. Es war ein Fluss aus Steinen:
    Achate, gebändert wie ein Katzenauge; lose herumliegende Granate; Sternachate oder Donnereier mit ihren
    Farbringen; braune Steine, orangefarbene, cremeweiße, manche mit schwarzen Adern, alle von der Hitze poliert. »Dies ist das Herz des Sommers«, zischte die Stimme der Sommerfrau. »Fürchte mich ebenso sehr wie den Winterschmied. Wir gehören euch nicht, obwohl ihr uns Gestalt und Namen gebt. Feuer und Eis sind wir, im Gleichgewicht. Dräng dich nicht noch einmal zwischen uns...«
    Und endlich regte sich etwas an diesem leblosen Ort. Aus Lücken zwischen den Steinen kamen sie hervor, wie lebendig gewordene Steine: bronzefarben und rot, dunkelbraun und gelb, schwarz und weiß, gescheckt und mit tödlich glänzenden Schuppen.
    Die Schlangen kosteten die kochende Luft mit gespaltenen Zungen und zischten triumphierend.
    Die Vision verschwand. Die Welt kehrte zurück.
    Das Wasser war abgelaufen. Der immer währende Wind hatte Wolkenschleier aus Nebel und Dunst gezupft, aber die unbesiegbare Sonne fand einen Weg hindurch. Und wie es immer geschieht, und immer viel zu schnell, wird das Seltsame und Wundervolle zu einer Erinnerung, und die Erinnerung zu einem Traum. Morgen ist es fort.
    Tiffany wanderte dort durchs Gras, wo der Palast gestanden hatte. Einige Eisbrocken waren übrig geblieben, aber in einer Stunde würden sie alle geschmolzen sein. Wolken  standen am Himmel, aber die zogen fort. Die normale Welt drängte mit ihren langweiligen kleinen Liedern auf sie ein. Sie schritt über eine Bühne, die Vorstellung war vorbei, und wer konnte jetzt sagen, dass sich das alles wirklich zugetragen hatte?
    Irgendwas zischte im Gras. Tiffany griff danach und hob ein Stück Metall hoch. Es hatte noch etwas von der Hitze in sich, die es verbogen hatte, aber man
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