Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition)
Autoren: Ilija Trojanow
Vom Netzwerk:
beäugte er ihn? Nach der Messe, auf der Treppe, sprach der Priester ihn an.
    – Bist du Massimo Gotti?
    – Der bin ich.
    – Kann ich einige Worte mit dir wechseln?
    – Mit mir? Wieso, Padre?
    – Du hast im Haushalt des Signore Burton gedient.
    – Das habe ich.
    – Einige Jahre lang.
    – Neun Jahre.
    – Hast du Umgang mit dem Signore gehabt?
    – Umgang? Ich bin der Gärtner.
    – Du hast mit ihm gelegentlich gesprochen?
    – Einige Male.
    – Weißt du etwas über seinen Glauben?
    – Er war gläubig.
    – Bist du dir sicher?
    – Völlig sicher.
    – Woran hast du das erkannt?
    – Er war ein guter Mann.
    – Das hoffen wir, für ihn. Aber auch ein Heide kann ein guter Mensch sein.
    – Heide? Er war kein Heide.
    – Er ist selten bei der Messe gesehen worden.
    – Es gibt eine Kapelle in dem Haus.
    – Du hast ihn dort beten sehen?
    – Ich arbeite draußen.
    – Du hast ihn also nicht beten sehen?
    – Er hat gebetet. Das weiß ich bestimmt. Vielleicht hat er woanders gebetet. Er war ein sehr starker Mann. Bestimmt kein Heide, Heiden sind anders.
     
     
     
    Nichts hatte er von diesem dümmlichen Gärtner erfahren. Die Dienstmagd. Hoffentlich wußte sie mehr. Ein leichtes, sie auf dem Markt anzusprechen. Er hatte allerdings nicht damit gerechnet, daß sie seine Beweggründe hinterfragen würde. Was sollte er ihr antworten? Er konnte ihr unmöglich seine Zweifel eingestehen. Er log sie an, er beging weitere Fehler, um Klarheit über seine Verfehlung zu gewinnen. Mein Gott, in was hatte er sich da verrannt. Er behauptete,für die Zeitung der Diözese einen Nachruf verfassen zu müssen, einen Nachruf, der die vielen Seiten des Signore Burton beleuchten sollte. Ach, sagte die Dienstmagd zu seinem Erstaunen – Anna hieß sie –, Sie wollen herausfinden, ob er ein guter Katholik war?
    – Das ist eine der Fragen, die uns interessieren.
    – Ich würde sagen, ja und nein.
    – Du bist dir nicht sicher?
    – Oh doch, ich bin mir völlig sicher. Er wußte sehr viel über den Glauben. Manchmal erzählte er mir Heiligengeschichten, die ich noch nie gehört hatte. Wußten Sie, daß der heilige Josaphat ein Inder war? Er hieß eigentlich Buda oder so ähnlich.
    – Hast du diesen Geschichten geglaubt?
    – Oh ja, seinen Geschichten mußte man glauben.
    – Aber du hast auch bezweifelt, daß er ein guter Katholik war?
    – Mit gutem Grund.
    – Ich habe gehört, es gibt in dem Haus eine kleine Kapelle.
    – Sehen Sie, genau das ist es. Dort war er nie. Nur die Herrin ging in die Kapelle und manchmal auch ich. Das hat sie erlaubt.
    – Vielleicht hat er in seinem Zimmer gebetet?
    – Ich habe ihn nie beten gesehen.
    – Vielleicht hat er nicht in deiner Anwesenheit gebetet.
    – Wenn er zu Hause war, verließ er sein Arbeitszimmer meist den ganzen Tag nicht. Und dort, Padre, dort gab es keinen Platz zum Beten, auch kein Kreuz und kein Bild unseres Heilands.
    – Ich verstehe. Hast du ihn jemals etwas Ungewöhnliches tun sehen?
    – Er hat nur Ungewöhnliches getan.
    – Hast du ihn in einer merkwürdigen Position überrascht? Auf dem Boden sitzend oder kniend?
    – Nein. Er saß immer auf seinem Stuhl, wenn ich hereinkam. Oder er lief in seinem Arbeitszimmer umher. Manchmal deklamierte er etwas.
    – Was denn?
    – Ich habe es nicht verstanden.
    – Natürlich, er war Engländer.
    – Es war nicht auf englisch.
    – Du verstehst Englisch?
    – Kein Wort. Wozu auch. Die Herrschaften sprachen hervorragend italienisch. Untereinander immer englisch. Nach so langer Zeit, ich war mehr als elf Jahre im Dienst, man gewöhnt sich an den Klang einer Sprache.
    – Was für eine Sprache war es?
    – Das kann ich Ihnen nicht sagen.
    – Du hast ihn nicht gefragt?
    – Wo denken Sie hin, Padre!
    – An was hat es dich erinnert?
    – An ein Gedicht oder an ein Gebet. Einfältig, immer wieder dasselbe.
    – Wie ein Refrain?
    – Was ist das?
    – Eine Wiederholung des Wichtigsten. So wie wir immer wieder sprechen: Gloria Patri et Filio et Spiritui Sancto.
    – So etwas, vielleicht. Ähnlich.
    – War es ein häßlicher Laut, der aus dem Rachen kommt?
    – Nein, eigentlich klang es schön.
    – Hörst du, klang es etwa so: Bismillah-hir-rahman-nir-rahim?
    – Nein, das war es nicht.
    – Oder so: Laa-illaha-ilallah?
    – Jaja. So klang es. Sie kennen es? Bestimmt war es das.
    – Mein Gott!
    – Habe ich etwas Falsches gesagt, Padre?
    – Was habe ich bloß getan!
    – Was ist denn, Padre?
    – Er war Mohammedaner, er war ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher