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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter
Autoren: Bernard Cornwell
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verlockende Aussicht.
    «Ihr dürft ihn nur verwunden, Herr», sagte der Friese. «Und Ihr müsst mit unserem Schwert kämpfen.» Er hielt mir die Waffe
     hin. Ich warf einen abschätzigen Blick auf die stumpfe, schartige Klinge und spuckte aus.
    «Muss ich das?»
    Der Friese gab klein bei. «Aber ihr dürft ihn wirklich nur verwunden», sagte er.
    Der Däne warf sein Haar zurück und sah mich an. Er hatte den Knüppel gesenkt. Ich sah, dass er nervös war, aber sein Blick
     verriet keinerlei Angst. Als Gefangener der Friesen hatte er wohl schon Hunderte dieser Kämpfe bestanden, doch seine Gegner
     waren keine Soldaten. An meinen beiden Schwertern erkannte er, dass ich ein Krieger war. Sein Körper war mit blauen Flecken,
     Platzwunden und Narben übersät, und er konnte sich ausrechnen, dass ich ihm mit Schlangenhauch weitere Wunden zufügen würde.
     Trotzdem war er entschlossen, gegen mich anzutreten.
    |43| «Wie heißt du?», fragte ich auf Dänisch.
    Er blinzelte überrascht.
    «Dein Name, Junge.» Ich nannte ihn «Junge», obwohl er nur wenig jünger war als ich.
    «Haesten», antwortete er.
    «Haesten wie?»
    «Haesten Storrison», sagte er und nannte mir damit den Namen seines Vaters.
    «Ihr sollt ihn schlagen, nicht mit ihm reden!», brüllte jemand aus der Menge.
    Ich drehte mich um und starrte den Rufer an. Er konnte meinem Blick nur einen Wimpernschlag lang standhalten. Dann machte
     ich blitzschnell auf dem Absatz kehrt und führte einen Schwerthieb gegen Haesten aus, den er ebenso schnell abwehrte, indem
     er den Knüppel hob. Die Klinge fuhr durch das Holz, als wäre es faul, und Haesten stand mit einem Stumpf in der Hand da, während
     der andere Teil seiner Waffe, eine Elle Eschenholz, auf dem Boden lag.
    «Tötet ihn!», schrie jemand.
    «Lasst ihn nur ein bisschen bluten», sagte einer der Friesen. «Bitte, Herr. Für einen Dänen ist er gar kein schlechter Kerl.
     Lasst ihn nur ein bisschen bluten, und Ihr bekommt Euer Geld zurück.»
    Mit einem Fußtritt beförderte ich den Knüppel weiter weg. «Heb ihn auf», sagte ich zu Haesten.
    Er beobachtete mich mit flackerndem Blick. Um den Knüppel aufzuheben, musste er die ganze Länge des Seils ausnutzen und sich
     dann bücken, wobei er mir seinen Rücken ungeschützt ausgesetzt hätte. Seine Augen, halb verdeckt von den verdreckten Strähnen
     seiner Haare, waren voller Bitterkeit. Er beobachtete mich und kam zu dem Schluss, dass ich ihn nicht angreifen würde, während
     er |44| sich bückte. Vorsichtig ging er auf den Knüppel zu, den ich, als er sich hinabbeugte, mit dem Fuß noch ein weiteres Stück
     zur Seite schob. «Heb ihn auf», befahl ich erneut.
    Er hatte immer noch den Stumpf in der Hand, als er einen weiteren Schritt vorrückte und sich die Fessel straffte. Plötzlich
     aber wirbelte er herum und versuchte, mir den Stumpf in den Bauch zu rammen. Er war schnell, doch ich hatte mit dem Angriff
     gerechnet und fing seinen Arm mit der Linken ab. Ich drückte fest zu, quetschte ihm das Handgelenk. «Heb ihn auf», sagte ich
     ein drittes Mal.
    Er gehorchte, und als er sich nach dem Knüppel bückte, durchschlug ich mit Schlangenhauch das strammgespannte Seil. Haesten
     stürzte nach vorn und landete auf dem Bauch. Ich stellte meinen linken Fuß auf seinen Rücken und drückte die Klingenspitze
     auf seine Wirbelsäule. «Alfred», sagte ich zu den Friesen, «verlangt, dass ihm alle dänischen Gefangenen ausgeliefert werden.»
    Die drei starrten mich an, sagten aber nichts.
    «Warum also habt ihr diesen Mann nicht zum König gebracht?», fragte ich.
    «Davon wussten wir nichts, Herr», antwortete einer von ihnen, «niemand hat uns etwas davon gesagt.» Das konnte nicht verwundern,
     denn Alfred hatte einen solchen Befehl nie ausgegeben.
    «Wir werden es sofort nachholen», versprach der zweite.
    «Die Mühe nehme ich euch ab», entgegnete ich und nahm meinen Fuß von Haestens Rücken. «Steh auf», sagte ich auf Dänisch, warf
     dem Jungen, der mein Pferd am Zügel gehalten hatte, eine Münze zu und schwang mich in den Sattel. «Du steigst hinter mir auf»,
     befahl ich und reichte Haesten die Hand.
    |45| Die Friesen protestierten und kamen mit gezückten Schwertern auf mich zu. Da zog ich Wespenstachel aus der Scheide und warf
     ihn Haesten zu, der noch nicht aufgestiegen war. Dann lenkte ich das Pferd auf die Friesen zu und lächelte sie an. «All diese
     Leute», sagte ich und schwang Schlangenhauch in Richtung der Menge, «halten mich
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