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Der Weihnachtsfluch - Roman

Der Weihnachtsfluch - Roman

Titel: Der Weihnachtsfluch - Roman
Autoren: Heyne
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Moor bei Roundstone, besonders im Frühling. Sie begleitete Hugo, wenn er zum Malen hinausging. Sie saß dann da und las ein Buch oder suchte Wildblumen. Aber das Meer mochte sie am liebsten. Sie wurde nie müde, darauf zu schauen. Sie sammelte auch Unterlagen über die Familie Martin, aber ich weiß nicht, ob sie das seit ihrer Krankheit immer noch macht.«
    »Wer sind die Martins?«
    Sein Gesicht leuchtete. »Oh, die Martins sind Teil der Ross-Familie, oder anders herum«, sagte er stolz. »Früher waren es die Flahertys und die Conneeleys, die hier in der Gegend etwas zu sagen hatten. Ja ja, sie haben sich bis aufs Messer bekämpft. Aber trotzdem gibt es immer noch Flahertys im Dorf und natürlich auch Conneeleys. Und andere auch, die Sie sicher noch kennenlernen werden. Was die Dorfgeschichte angeht, ist Padraic Yorke der Experte. Er weiß alles und erzählt es mit der Musik unseres Landes, mit der Stimme, dem Lachen und den Tränen unseres Volkes.«
    »Wenn möglich, möchte ich ihn unbedingt kennenlernen.«
    »Er wird ihnen nur allzu gerne erzählen, wo sich alles zugetragen hat, und er wird Ihnen auch die Namen der
Pflanzen und Vögel nennen können. Zu dieser Jahreszeit sind es allerdings nicht so viele.«
    Sie dankte ihm, auch wenn sie vermutlich für solche Dinge nicht genug Zeit haben würde.
    Kurz nach sechs Uhr abends kamen sie an, und es war schon stockfinster. Ein leichter Regen legte sich wie ein Dunstschleier über die Sterne im Osten. Im Westen war es klar, und der tief stehende Mond ließ die Umrisse des Dorfes noch gut erkennen. Sie fuhren hindurch, zu Susannahs Haus außerhalb des Dorfes, näher an der Küste.
    Father Tyndale stieg aus und klopfte an die Haustüre. Es dauerte eine Weile, bis sie geöffnet wurde und Susannahs Silhouette sich gegen das Kerzenlicht abzeichnete. Sie hatte mindestens ein Dutzend Kerzen angezündet. Sie trat vor die Türe und blickte an Father Tyndale vorbei, so als wolle sie sicherstellen, dass er jemanden mitgebracht hatte.
    Emily ging über den Kiesweg und den gepflasterten Eingangsbereich auf das Licht zu.
    »Emily …«, sagte Susannah leise. »Du siehst wunderbar aus, aber du bist sicher müde. Vielen, vielen Dank, dass du gekommen bist.«
    Emily machte einen Schritt auf sie zu. »Tante Susannah.« Es kam ihr absurd vor, mehr zu sagen. Ja, natürlich war sie müde, aber als sie Susannahs hageres Gesicht und ihren Körper sah, der selbst unter dem Wollkleid und dem Schal so zerbrechlich wirkte, wäre es kindisch gewesen, auch nur kurz an sich selber zu denken. Und Susannah zu fragen, wie es ihr ginge, wäre angesichts
der Wahrheit, die sie beide kannten, nicht richtig gewesen. »Die Reise verlief bestens«, log sie. »Und Father Tyndale war sehr freundlich.«
    »Dir ist sicherlich kalt, und du hast bestimmt Hunger.« Susannah trat ins Helle zurück. »Und nass geworden bist du auch«, fügte sie noch hinzu.
    Emily war erschrocken. Sie erinnerte sich an Susannah als eine eher interessante als hübsche Frau mit klaren Gesichtszügen und einer wirklich schönen Haut, so wie ihre eigene. Die Frau, die jetzt vor ihr stand, war abgemagert, mit hervorstehenden Wangenknochen und dunklen Schatten um die Augen.
    »Ja, etwas.« Emily zwang sich, ihre Stimme normal klingen zu lassen. »Aber das geht bald vorüber. Eine Nacht tiefen Schlafs und ich bin wie neugeboren.« Sie verspürte den Drang loszureden, um die drückende Stille zu füllen.
    Susannah sah Father Tyndale an, und Emily wurde plötzlich bewusst, dass es ihr sicher schwerfiel, hier draußen in der Kälte zu stehen.
    Father Tyndale stellte ihre Koffer drinnen ab. »Soll ich sie nach oben bringen?«, fragte er.
    Emily konnte den größeren unmöglich alleine tragen und nahm das Angebot gerne an.
    Fünf Minuten später war Father Tyndale weg, und Emily und Susannah standen alleine in der Eingangshalle. Ein unangenehmer Augenblick. Eine Barriere von zehn Jahren Schweigen lag zwischen ihnen. Die Pflicht hatte Emily hergebracht, und sie konnte jetzt keine Zuneigung heucheln. Wäre es nach ihr gegangen, so hätten
sie die ganze Zeit über Briefe austauschen können. Susannah empfand sicherlich genauso.
    »Das Abendessen steht bereit«, sagte Susannah mit einem kleinen Lächeln. »Du willst dich sicher bald zurückziehen.«
    »Ja, danke.« Emily folgte ihr durch die kühle Eingangshalle in ein holzgetäfeltes Esszimmer, dessen Wärme sie beim Hineingehen angenehm empfing. In dem riesigen Kamin mit dem Torffeuer tanzten
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