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Der Weihnachtsfluch - Roman

Der Weihnachtsfluch - Roman

Titel: Der Weihnachtsfluch - Roman
Autoren: Heyne
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Gischtkronen auf den Wellen. Weit hinten rechts sah man eine Landspitze mit dunklen, gezackten Felsen. Die bedrohliche Flut überspülte den Sandstrand unterhalb des Hauses. Links war die Küste sanfter, erstreckte sich mit Felsen und Sandbuchten bis zum Horizont, wo die Umrisse ineinander übergingen, und verschwand dann in einer Regenwand. Die Landschaft war wild und urgewaltig, aber von solcher Schönheit, dass keine liebliche Landschaft ihr gleichkommen könnte.
    Sie wusch sich mit dem Wasser, das in dem Waschkrug beim Kamin bereitstand und das angenehm warm war, und zog ein einfaches dunkelgrünes Morgengewand an. Dann ging sie nach unten um nachzusehen, ob Susannah schon auf war und ihre Hilfe bräuchte.
    In der Küche fand sie eine hübsche Frau, etwa Ende dreißig, mit leuchtend braunem Haar und mit dunklen Wimpern umrandeten, außergewöhnlich blaugrünen Augen vor. Als sie Emily bemerkte, lächelte sie.
    »Einen schönen guten Morgen«, sagte sie fröhlich. »Sie sind sicher Mrs. Radley. Willkommen in Connemara.«
    »Danke.« Emily trat in die warme, geräumige Küche, ihre Schritte hallten auf dem Steinboden. »Sind Sie Mrs. O’Bannion?«

    Die Frau lächelte über das ganze Gesicht. »Ja, die bin ich. Und das ist Bridie, die da in der Spülküche rumtollt. So ein wildes Mädchen habe ich selten erlebt. Nun, was möchten Sie zum Frühstück? Wie wär’s mit Rühreiern auf Toast und einer schönen Kanne Tee?«
    »Oh ja, gerne, danke. Wie geht es Mrs. Ross?«
    Ein Schatten legte sich über Maggie O’Bannions Gesicht. »Die Arme wird nicht so schnell runterkommen. Manchmal geht es ihr morgens gut, aber meistens nicht.«
    »Kann ich Ihnen irgendwie helfen?« Emily kam sich dumm vor, dachte aber, sie müsste ihre Hilfe anbieten.
    »Genießen Sie einfach Ihr Frühstück«, antwortete Maggie. »Wenn Sie an die frische Luft wollen, sollten Sie das bald tun. Der Wind wird stärker und fegt dann nur so durch die Wolken. Dann sollten Sie lieber im Haus sein.«
    Emily sah aus dem Fenster. »Danke. Ich nehme Ihren Rat gerne an, aber es sieht gar nicht so schlimm aus.«
    Maggie fröstelte und presste die Lippen zusammen. »Es bläst ein heftiger Wind. Ich höre das.« Sie drehte sich um und bereitete das Frühstück für Emily.
    Susannah kam gegen zehn Uhr herunter. Sie sah blass aus, und ihr Haar war grauer, als sie das im warmen Kerzenschein am Vorabend wahrgenommen hatte. Sie schien aber ausgeruht zu sein und lächelte, sobald sie Emily im Wohnzimmer beim Briefeschreiben bemerkte. »Hast du gut geschlafen? Hoffentlich war es dir bequem genug. Hat Maggie dir Frühstück gemacht?«
    Emily stand auf. »Alles bestens«, antwortete sie. »Mrs.
O’Bannion ist ganz reizend, und ich habe sehr gut gefrühstückt, danke. Du hattest Recht. Ich habe sie auf Anhieb gemocht.«
    Susannah warf einen Blick auf das Briefpapier. »Ich rate dir, die Briefe noch vor dem Mittagessen zur Post zu bringen. Ich glaube, der Wind frischt auf.« Sie schaute zum Fenster hin. »Es könnte ein heftiger Sturm aufziehen. Das ist zu dieser Jahreszeit nicht unüblich. Manchmal sind diese Stürme wirklich schrecklich.«
    Emily antwortete nicht. Susannahs Bemerkung kam ihr komisch vor. Stürme gab es im Winter überall. Soweit sie wusste, gab es in Connemara nicht einmal so viel Schnee wie in England.
    Sie wandte sich wieder ihren Briefen zu und um elf Uhr gesellte sie sich für einen Becher Kakao zu Susannah und Maggie. Draußen heulte der Wind, und ab und an prasselte der Regen an die Fenster. Wie sie mit Keksen und einer heißen Tasse Kakao in der Hand am Küchentisch saßen, schien es fast so, als wären sie in die Geborgenheit ihrer Kindheit zurückversetzt.
    Ein Zweig schlug ans Fenster. Maggie drehte sich schnell um und starrte ihn an. Susannahs kleine Hände umklammerten die Porzellantasse. Sie holte tief Atem.
    Maggie schaute zur Seite, traf Emilys Blick und zwang sich zu einem Lächeln. »Wir werden es hier drinnen schön warm haben«, sagte sie beschwichtigend. »Und bis zum Januar haben wir genug geschnittenen Torf.«
    Emily wollte eine lustige Bemerkung machen, damit die Spannung durch ein Lachen gebrochen würde, aber ihr fiel nichts ein. Sie merkte, dass sie keine der beiden
Frauen gut genug kannte, um zu verstehen, warum sie solche Angst hatten. Was konnte so ein bisschen Sturm ihnen schon anhaben?
    Aber am Nachmittag verdunkelte sich der Himmel im Westen mit schweren Wolken, und der Wind blies nun deutlich kräftiger. Wie stark er
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