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Der Weg: Wenn Gott Dir eine zweite Chance gibt (German Edition)

Der Weg: Wenn Gott Dir eine zweite Chance gibt (German Edition)

Titel: Der Weg: Wenn Gott Dir eine zweite Chance gibt (German Edition)
Autoren: William Paul Young
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zumeist mit Sehstörungen und Sprachschwierigkeiten. Seine Aussprache wurde undeutlich, und er musste mühsam nach Worten suchen, um einen Satz zu beenden. Das war stets die Vorwarnung, auf die kurze Zeit später ein Schmerz folgte, als würde ihm ein unsichtbarer Nagel durch den Schädel in den Raum hinter seinem rechten Auge gerammt. Er wurde dann extrem licht- und geräuschempfindlich und schaffte es nur mit Mühe, seine persönliche Assistentin zu informieren, ehe er sich in die abgedunkelte Stille seiner Eigentumswohnung zurückzog. Gewappnet mit starken Schmerzmitteln und weißem Rauschen schlief er, bis es nur noch wehtat, wenn er lachte oder den Kopf schüttelte. Tony redete sich ein, dass Scotch bei der Erholung half, aber er suchte sowieso ständig nach Entschuldigungen, um sich ein Glas zu genehmigen.
    »Warum gerade jetzt?« Nachdem er monatelang gar keine Migräne gehabt hatte, kamen die Anfälle nun fast wöchentlich. Er wurde vorsichtig bei der Auswahl dessen, was er zu sich nahm. Vielleicht schüttete ihm ja jemand Gift ins Essen oder seine Getränke. Ständige Müdigkeit machte ihm zu schaffen, und obwohl er mit pharmazeutischer Unterstützung durchschlief, fühlte er sich erschöpft. Schließlich vereinbarte er einen Termin bei seinem Hausarzt, den er aber nicht wahrnehmen konnte, weil er kurzfristig an einem Meeting teilnehmen musste, das sich um unerwartet aufgetauchte Probleme bei einem wichtigen Immobilienkauf drehte. Er ließ sich einen neuen Termin zwei Wochen später geben.
    Wenn die Alltagsroutine infrage gestellt wird, beginnt man, über sein Leben im Ganzen nachzudenken, darüber, wer einem wichtig ist und warum. Insgesamt war Tony mit seinem Leben nicht unzufrieden. Er war wohlhabender als die meisten, was eine beachtliche Leistung darstellte für ein Heimkind, bei dem das System versagt hatte und das es aufgegeben hatte, darüber Tränen zu vergießen. Er hatte Fehler gemacht und Menschen verletzt, aber auf wen traf das nicht zu? Er war allein, aber meistens war ihm das gerade recht. Er besaß ein Haus in den West Hills, ein Stranddomizil in Depoe Bay, seine Eigentumswohnung am Willamette River, einträgliche Geldanlagen und die Freiheit, nahezu alles zu tun, was er tun wollte. Er hatte alle Ziele erreicht, die er sich gesteckt hatte, zumindest jedes realistische Ziel, und nun, mit Anfang vierzig, lebte er mit einem nagenden Gefühl der Leere und zunehmend hochkommenden Gefühlen des Bedauerns. Diese schluckte er schnell wieder herunter, stopfte sie in jene unsichtbare Grube, die Menschen erschaffen, um sich vor sich selbst zu schützen. Natürlich war er allein, aber meistens war ihm das gerade recht. Meistens …
    Als er diesmal aus Boston zurückkam, war er gleich in seine Firma gefahren, nur um sich stundenlang mit seinen beiden Geschäftspartnern herumstreiten zu müssen. Aber das brachte Tony auf einen Gedanken. Er wollte eine Liste erstellen. Eine Liste jener Menschen, denen er wirklich trauen konnte, Menschen, denen er seine Geheimnisse und Träume anvertrauen mochte und gegenüber denen er bereit war, Schwächen zuzugeben. Er igelte sich in seinem geheimen Büro ein, nahm eine Weißwandtafel zur Hand, die er benutzte, um sich besser konzentrieren zu können, und fing an, Namen zu notieren. Die Liste war von Anfang an recht kurz. Zunächst setzte er Geschäftspartner darauf, ein paar seiner Angestellten, ein oder zwei Bekannte außerhalb seines beruflichen Umfelds und einige Leute, die er in privaten Klubs und auf Reisen kennengelernt hatte. Doch nachdem er eine Stunde über diese Liste nachgedacht hatte, strich er sie auf sechs Namen zusammen. Er lehnte sich zurück und schüttelte den Kopf. Die einzigen Menschen, denen er wirklich vertraute, waren alle tot. Nur beim letzten auf der Liste war er da nicht ganz sicher.
    Sein Vater und vor allem seine Mutter standen ganz oben. Mit dem Verstand wusste er, dass, durch Zeit und Trauma, ein großer Teil seiner Erinnerungen an sie verklärt und idealisiert waren. Wegen seiner Sehnsucht nach den Eltern hatte er ihre negativen Eigenschaften verdrängt. Er hütete das verblichene Foto wie einen Schatz, das letzte Foto, aufgenommen, bevor ein Teenager, der unterwegs zu einer Party war, die Kontrolle verlor und die Herrlichkeit eines Lebens zertrümmerte. Tony öffnete den Safe und nahm das Foto heraus. Es war jetzt durch eine Klarsichthülle geschützt, aber er versuchte trotzdem, die zerknickten Ränder glatt zu streichen, als könnte
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