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Der Weg Nach Tanelorn

Der Weg Nach Tanelorn

Titel: Der Weg Nach Tanelorn
Autoren: Michael Moorcock
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wie früher. Allerdings fiel dies nur wenigen auf, unter ihnen Falkenmond und Yisselda, die zutiefst erstaunt waren.
    Die längste und überströmendste Rede in der alten Stierkampfarena kam von den Lippen Lonsons, dem Prinzen von Shkarlan, einem Vetter Königin Flanas und dem Abgesandten Granbretaniens. Lonson war jung und ein enthusiastischer Anhänger der Politik der Königin. Er war kaum siebzehn gewesen, als die Schlacht von Londra seiner Nation die pervertierte Macht nahm, und so trug er Falkenmond nichts nach – im Gegenteil, er sah in ihm den Erlöser, der seinem Inselkönigreich Frieden und geistige Gesundung gebracht hatte. Prinz Lonson schwelgte in seiner Rede vor Bewunderung für den neuen Lordhüter der Kamarg. Er erinnerte an dessen Heldentaten in den unzähligen Schlachten, an seine großen Erfolge, an seine übermenschliche Selbstbeherrschung und Willensstärke, an seine Genialität in Strategie und Diplomatie, die auch von späteren Generationen nie vergessen werden würde, sagte der Prinz. Dorian Falkenmond hatte nicht nur das kontinentale Europa gerettet, sondern auch das Dunkle Imperium – vor sich selbst.
    Dorian Falkenmond, der mit seinen ausländischen Gästen in der Herrscherloge saß, lauschte verlegen der Rede und hatte nur den einen Wunsch, Lonson würde endlich zum Ende kommen. Er trug die Paraderüstung, die so punkvoll wie unbequem war, und sein Nacken juckte entsetzlich. Aber es wäre doch zu unhöflich, den Helm während Prinz Lonsons Rede abzunehmen, um sich zu kratzen. Er betrachtete die Menge auf den Granitbänken und auch auf dem Boden in der Arena. Die meisten der Menschen lauschten sichtlich zustimmend, doch einige murmelten miteinander, andere machten finstere Gesichter. Ein alter Mann, ein ehemaliger Hüter, der in vielen Schlachten mit Graf Brass gekämpft hatte, spuckte sogar verächtlich in den Staub der Arena, als Prinz Lonson von Falkenmonds unerschütterlicher Treue seinen Kameraden gegenüber sprach.
    Auch Yisselda sah es. Sie runzelte die Stirn und warf Falkenmond einen Blick zu, um festzustellen, ob er es auch bemerkt hatte. Ihre Augen trafen sich. Dorian Falkenmond zuckte die Schultern und lächelte ihr zu. Sie erwiderte sein Lächeln, aber ihre Stirn glättete sich nicht sofort.
    Endlich war auch diese lange Rede vorbei. Es wurde viel geklatscht, und dann verließen die Menschen die Arena, damit der erste Stier hereingetrieben werden und der erste Toreador sein Glück versuchen konnte, sich die bunten Bänder an den Hörnern des Bullen zu holen – denn in der Kamarg bewiesen die Stierkämpfer nicht ihren Mut darin, dass sie die Tiere töteten. Die einzige Waffe gegen die schnaubenden Bullen war ihre Geschicklichkeit.
    Als die Menge sich zurückgezogen hatte, blieb einer in der Arena – der alte Hüter. Falkenmond erinnerte sich jetzt an seinen Namen. Er hieß Czernik und war ein früherer Söldner aus Bulgarien, der sich Graf Brass angeschlossen und viele Feldzüge an seiner Seite mitgemacht hatte. Czerniks Gesicht war stark gerötet, als habe er zu tief in die Flasche geschaut, und sein Schritt war torkelnd, während er näher an Falkenmonds Loge herankam und mit dem Finger auf ihn deutete, ehe er nochmals in hohem Bogen vor ihm ausspuckte.
    »Treue!« krächzte der Alte. »Ich weiß es besser! Ich weiß, wer Graf Brass gemordet – ihn an seine Feinde verraten hat! Feigling! Angeber! Falscher Held!«
    Falkenmond erstarrte, als er das hörte. Wessen wollte der Alte ihn damit beschuldigen?
    Ordnungshüter rannten hinaus und versuchten, Czernik so schnell wie möglich aus der Arena zu schaffen. Aber er wehrte sich mit Händen und Füßen.
    »So versucht euer Herr die Wahrheit zu unterdrücken!« kreischte er. »Aber sie lässt sich nicht totschweigen! Er wurde angeklagt von dem einzigen, dessen Worten man Glauben schenken kann!«
    Wäre nur Czernik es gewesen, der seine Feindseligkeit zeigte, hätte Falkenmond es als senile Phantastereien abgetan. Aber der alte Hüter war nicht der einzige. Er hatte lediglich ausgesprochen, was Falkenmond in mehr als einem Dutzend Gesichtern gelesen hatte – heute und schon in den vergangenen Tagen.
    »Lasst ihn gewähren!« rief Falkenmond. Er erhob sich und lehnte sich über die Logenbrüstung. »Er soll sprechen.«
    Einen Augenblick schwankten die Ordnungshüter, dann gaben sie den Greis frei. Czernik blieb am ganzen Leib zitternd stehen und funkelte Falkenmond böse an.
    »Und jetzt möchte ich gern wissen, wessen du mich
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