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Der Weg der Helden

Der Weg der Helden

Titel: Der Weg der Helden
Autoren: David A. Gemmell
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glitzernde Säule, die sich wie ein Speer in den Himmel reckte. Sie war ein wahrhaftiges Wunder der Architektur, und aus der Krone auf ihrer Spitze ragten goldene Dornen. Allein das Gold dieser Krone wog fast eine Tonne. » Die Krone wird fallen, wenn der Körper des Wals dagegen prallt«, verkündete der Mystiker.
    » Ich habe noch nie einen fliegenden Wal gesehen«, erwiderte Talaban liebenswürdig.
    » Das wirst du auch nie«, pflichtete der Mystiker ihm bei. Dann sprach er von dem Großen Bären und seinem Schlaf des Todes.
    Talaban begann sich zu langweilen. Er schenkte dem Mann noch ein Lächeln und wandte sich ab. Doch die Stimme des Mystikers folgte ihm.
    » Der Bär wird weiß sein. Strahlend weiß. Genauso weiß wie die Pyramide. Und du wirst einer der wenigen Avatar sein, der ihn sehen und den Anblick überleben wird. Dann wird dein Haar nicht mehr blau gefärbt sein, sondern dunkel. Denn dann wirst du Demut gelernt haben, Avatar.«
    Ein eisiger Wind strich sacht über die schneebedeckten Hügel. Talabans Gedanken kehrten in die Gegenwart zurück. Er fuhr sich mit den Fingern durch sein mitternachtsschwarzes Haar, setzte die mit Pelz gefütterte Kapuze wieder auf und blickte über die Gletscher.
    Es hatte eine Zeit gegeben, da er das Eis gehasst hatte. Er hatte es mit jeder Faser seines Wesens gehasst. Jetzt jedoch betrachtete er die kalte, spröde Schönheit der Gletscher ohne Zorn. Es überraschte ihn, dass er sogar genießen konnte, wie die Sonne blasse Farben auf das geisterhafte Weiß der Flanken des Gletschers zauberte, oder das bläuliche Schimmern, mit dem sich der Himmel darin spiegelte, und das goldene Leuchten der untergehenden Sonne.
    So viel lag darunter verborgen, verloren für immer. Die Freunde seiner Kindheit, seine Familie, Tausende Werke der Literatur und Philosophie… All das lag unter dem Eis begraben. Zusammen mit seinen Hoffnungen und Träumen. Doch obwohl es ihm so viel genommen hatte, hatte das Eis sich als zu mächtig für seinen Hass erwiesen; zu riesig und zu kalt für seine Wut.
    Als sein dunkler Blick jetzt über die weißen Berge glitt, spürte er in seinem Herzen ein merkwürdiges Gefühl der Verbundenheit mit diesem Eis; seine eigenen Gefühle waren mittlerweile ebenso tief begraben, vielleicht so tief wie Parapolis, das jetzt erfroren unter dem Bauch des Großen Eisbären lag.
    Der hünenhafte Krieger richtete seinen Blick auf die kleine Gruppe von Männern, die am Fuß der Eisberge arbeiteten. Von seinem Aussichtspunkt auf dem Hügel aus konnte er sehen, wie sie goldene Sonden setzten und kleine Pyramiden aus silbernen Stäben aufbauten. An den Pyramiden waren goldene Drähte befestigt, die sie miteinander verbanden. Talaban sah die untersetzte Gestalt von Questor Ro, der zwischen den Vagaren herumging, Befehle erteilte und Anweisungen brüllte. Er konnte ihn zwar aus dieser Entfernung nicht hören, aber er sah an den ungeduldigen Gesten, dass Questor Ro seinem Arbeitstrupp zweifellos Todesangst einflößte. Eine sehr begründete Angst. Questor Ro war einer der wenigen Avatar, der seine Sklaven selbst wegen geringfügiger Vergehen immer noch auspeitschen ließ. Der kleine Mann verfügte über sehr viel Macht innerhalb des Konzils, und es war seinem Einfluss zu verdanken, dass diese Expedition überhaupt ausgesandt worden war.
    Talaban fragte sich allerdings, ob Ro nach ihrer Rückkehr immer noch so mächtig sein würde.
    Der Krieger hatte seinen Optimismus schon lange verloren und betrachtete die ganze Unternehmung als vergeblich, doch seine Befehle waren unmissverständlich: Bring Questor Ro und seine Vagaren zum Eis, beschütze sie, beaufsichtige die Operation und kehre innerhalb von drei Monaten zurück.
    Es war innerhalb von vier Jahren das siebte Mal, dass eine Expedition versuchte, eine Vereinigung herzustellen. Talaban hatte drei dieser Expeditionen geleitet. Sie alle waren gescheitert, und er erwartete von dieser Expedition keinen größeren Erfolg. Im Konzil überwog ebenfalls die Meinung, dass eine Vereinigung nicht mehr möglich sei. Questor Ro hatte das vehement bestritten, hatte seine Kollegen Konzilsräte » erbärmliche Defätisten« geschimpft. Daraufhin hatten seine Feinde, von denen es nicht wenige gab, diese Expedition mitfinanziert. Ihr Hintergedanke lag klar auf der Hand: Sie wollten Questor Ro demütigen. Was den kleinen Mann jedoch nicht abzuschrecken schien.
    Talaban wandte sich vom Eis ab und ließ seinen Blick über den öden Gletscher gleiten,
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