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Der Weg der Helden

Der Weg der Helden

Titel: Der Weg der Helden
Autoren: David A. Gemmell
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zu existieren.
    Die stille Musik der Pyramide wehte über seinen kristallenen Leichnam. Überall auf seinem Körper bildeten sich Risse, die größer wurden, wuchsen wie Spinnennetze. Dann implodierte er, und alles, was von Cas-Coatl übrig blieb, waren die leere Hülle seiner Rüstung, sein Helm, seine Hose und seine Stiefel auf dem Boden.
    Ihres Generals beraubt wichen die Almecs von der Pyramide zurück, aus Angst, dieses Bauwerk könnte seinen Zorn möglicherweise auch gegen sie richten. Sie ließen die Karren mit Schießpulver zurück und flüchteten zum Fluss und zu den Schiffen, die sie nachhause bringen sollten.
    Einäugiger-Fuchs versammelte seine Krieger um sich, trat vor sie und legte ihnen die Hände über die Augen. Bei jedem Mann und jeder Frau sang er ein paar Worte, bevor er zum nächsten ging. Schließlich kam er zu den Avatar. Talaban vermutete, dass der Schamane ein Liedgebet der Macht beschwor, um die Krieger zu stärken.
    Er hatte Recht, aber anders, als er erwartet hatte. Um sie herum herrschte beinahe absolute Finsternis, denn dichte Wolken verbargen den Mond. Als jedoch Einäugiger-Fuchs seine Hand von Talabans Gesicht hob, stellte der verblüfft fest, dass er so deutlich sehen konnte, als wäre es Mittag. Es war bizarr. Um ihn herum gab es keinerlei Farbe, sondern nur eine Landschaft aus scharfen Schwarz-, Grau- und Weißtönen.
    Der Schamane rief seine Krieger zu sich. » Die Blutsucher werden versuchen uns im Dunkeln anzugreifen. Aber wir können uns wie Bergkatzen auf sie stürzen. Sie werden wie Blinde sein.«
    Die vierzehn Krieger der Anajo und Suryet nahmen ihre Bögen und Pfeile und verschwanden im Unterholz. Talaban wollte ihnen folgen, aber Einäugiger-Fuchs trat vor ihn. Er berührte Talabans Stirn und schloss die Augen. Seine Stimme hallte durch Talabans Geist. Du machst zu viel Lärm, mein Freund. Warte hier mit deinen Brüdern und töte jeden, der das Ende des Pfades erreicht.
    Dann war er verschwunden.
    Talaban zückte sein Schwert und seinen Dolch und bedeutete seinen drei Männern, bei ihm zu bleiben. Dann stellte er sich selbst auf die Kuppe des Pfades. Mehr als hundert Feinde würden den Berg erklimmen. Trotz ihres Vorteils, ihrer besseren Nachtsicht, konnten die Anajo sie nicht aufhalten.
    Ich werde hier sterben, dachte er plötzlich. Mir bleibt nicht einmal die eine Woche, die Anu mir versprochen hat. Furcht überkam ihn, und plötzlich wurde ihm übel. Ich will nicht auf diesem fremden Berg verrecken, dachte er. Ich habe keine Söhne, die mein Blut wie ein Geschenk in die Zukunft tragen, keine Frau, die um mich trauert. Er dachte an Sofarita. Er hatte Anus Todeswarnung akzeptiert, aber er hatte insgeheim gehofft, dass Sofaritas Macht ihn würde retten können. Aber sie war nicht hier. Zum ersten Mal in seinem Leben verspürte Talaban den dringenden Wunsch wegzulaufen. Doch er tat es nicht, konnte es nicht. Er sah den Soldaten rechts neben sich an. Der Schreck über den Anblick riss ihn aus seinen melancholischen Gedanken. Der Avatar hatte die Augen weit aufgerissen, und seine Pupillen waren geschlitzt wie bei einer Katze. Talaban erkannte an der überraschten Miene des Soldaten, dass er selbst ähnlich unheimlich aussehen musste. Er grinste plötzlich. Der Mann verzog ebenfalls die Lippen und streckte die Hand aus. Talaban packte sie, drehte sich um und schüttelte dann die Hände der beiden anderen Krieger.
    » Uns erwartet zweifellos kein so glorreiches Ende wie der letzte Ritt«, erklärte er. » Aber wohlan! Wir haben gelebt wie Götter und sterben wie Männer. Das ist genug, denke ich.«
    Die Schreie von Verwundeten drangen von weiter unten vom Pfad zu ihnen hinauf, und etliche Schüsse von Feuerstöcken hallten durch die Nacht.
    Talaban hob sein Schwert.
    In Egaru kniete der fette Caprishan in seinem luxuriösen Schlafgemach und leerte Beutel mit voll aufgeladenen Kristallen in zwei Kisten. Er hatte Raels Einladung, gegen die Almecs zu reiten, ausgeschlagen und versuchte jetzt abzuschätzen, wie viel Lebenszeit ihm diese Kristalle noch ließen. Wie alle Avatar war er ausgesprochen geschickt im Kopfrechnen. Er besaß über zweitausend Kristalle, und jeder von ihnen konnte einen normalen Mann monatelang bei bester Gesundheit erhalten. Caprishan war jedoch kein normaler Mann. Sein ungeheures Gewicht und sein unmäßiger Appetit hatten sein Herz geschwächt, und er vermochte einen voll aufgeladenen Kristall innerhalb von sechs Tagen zu erschöpfen.
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