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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige
Autoren: Edward Rutherfurd
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Fleisch. Hirsche haben eine hohe Fortpflanzungsrate und wachsen rasch heran. Ihr Fleisch ist wohlschmeckend und mager. Man konnte es pökeln – an der Küste gab es reiche Salzvorkommen – und dann im ganzen Königreich verteilen. Der New Forest diente also hauptsächlich der Aufzucht von Hirschen.
    Und er wurde straff geführt. Verantwortlich für die etwa siebentausend Hirsche war eine Reihe von Förstern, manche von ihnen Angelsachsen wie Cola, die ihren Posten behalten hatten, weil sie jeden Flecken dieses Waldes kannten. Wenn einer der königlichen Jäger – so wie Cola heute – im Auftrag des Königs auf Hirschjagd ging, verließ er sich im Gegensatz zu seinem Herrscher nicht auf Pfeil und Bogen. Die Treibjagd war eine vielversprechendere Methode. Dabei verteilte sich die Jagdgesellschaft über ein großes Gebiet und hetzte das Wild vor sich her in eine große Falle. Diese Falle, die gerade im königlichen Gut von Lyndhurst in der Mitte des New Forest aufgebaut wurde, bestand aus einem langen, gebogenen Zaun, mit dem man die Hirsche auf eine Koppel leitete. Dort wurden sie mit Pfeil und Bogen erschossen oder in großer Zahl in Netzen eingefangen. »Das ist wie eine spiralförmige Muschelschale mitten im Wald«, erklärte Walter seiner Base. »Es gibt kein Entrinnen.«
    Obwohl diese Jagdmethode gnadenlos und grausam war, stand Adela ein seltsam magisches und geheimnisvolles Bild vor Augen.
    Sie stiegen einen Abhang hinunter in einen Wald. Zu ihrer Rechten hörte Adela eine Lerche singen. Sie blickte gerade in den blassblauen Himmel hinauf, um Ausschau nach dem Vogel zu halten, als Walter das Wort an sie richtete. »Das Problem mit dir ist…«, hörte sie ihn noch sagen, bevor sie den Klang seiner Stimme ausblendete.
    Wenn man Walter Glauben schenken konnte, gab es an ihr sehr viel auszusetzen. »Du musst dir einen eleganteren Gang angewöhnen«, pflegte er zu sagen. »Du musst mehr lächeln. Du musst ein anderes Kleid anziehen.«
    »Eigentlich bist du ja recht hübsch«, hatte er ihr gnädigerweise vor einer Woche mitgeteilt. »Obwohl einige vielleicht finden, dass du abnehmen solltest.«
    »Haben die Leute das wirklich gesagt?«, erkundigte sie sich freundlich.
    »Nein«, erwiderte er, nachdem er eine Weile darüber nachgedacht hatte. »Aber ich befürchte, dass sie es tun könnten.«
    Doch so sehr er sie auch tadeln oder in ihrer Gegenwart peinlich berührt das Gesicht verziehen mochte – einen großen Makel hatte sie wirklich, gegen den sie allerdings ganz und gar machtlos war: das Fehlen einer ansehnlichen Mitgift.
    Nun konnte sie die Lerche sehen; ein winziger Punkt oben auf dem Berg. Ihr Gesang hallte zu Adela hinunter, aus voller Kehle und so klar wie Glockengeläut. Lächelnd wandte sie sich ab, als sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm.
    Der Mann, der über die Heide auf sie zugeritten kam, war allein, trug eine Jagdmütze und war dunkelgrün gekleidet. Obwohl Adela noch keine weiteren Einzelheiten ausmachen konnte, erkannte sie an dem prächtigen Pferd, das er ritt, dass es sich nicht um einen gewöhnlichen Gutsbesitzer handelte. In lockerem, kraftvollem Galopp stürmte das Ross auf sie zu. Es war eine wahre Augenweide. In seiner würdevollen Haltung wirkte der Reiter nicht minder beeindruckend. Als der Mann näher kam, stellte sie fest, dass er hoch gewachsen und dunkelhaarig war und markante, strenge Züge hatte, die auf normannisches Erbe hinwiesen. Sie schätzte ihn auf etwa dreißig. Offenbar war er von hohem Stand. Im Vorbeireiten tippte er sich höflich an die Kappe, doch da er sich nicht umwandte, war sie nicht sicher, ob er sie wirklich gesehen hatte. Sie beobachtete, wie er auf die Spitze des Zuges zuritt und Cola begrüßte, der den Gruß mit gebührender Achtung erwiderte. Adela, die sich fragte, wer dieser Nachzügler wohl sein mochte, drehte sich unwirsch zu Walter um, der sie nachdenklich betrachtete.
    »Das ist Hugh de Martell«, sagte er. »Ihm gehört ein großes Gut westlich von hier.« Und dann, als sie gerade anmerken wollte, wie kühl und unfreundlich er auf sie gewirkt habe, lachte Walter gereizt auf. »Den kannst du nicht haben, kleine Base.« Er grinste. »Der ist nicht mehr frei. Martell ist verheiratet.«
     
     
    Die Morgensonne stand schon hoch am Himmel, und obwohl alles ruhig war, fand Godwin Prides Frau, dass ihr Mann das Schicksal herausforderte. Denn für gewöhnlich war er bereits kurz nach Morgengrauen mit seiner Arbeit fertig. »Du kennst das
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