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Der Waechter

Der Waechter

Titel: Der Waechter
Autoren: E. Snyder
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Offensichtlich hatte er nicht gefunden, was er gesucht hatte, denn hier draußen war nur sie.

    Endlich saß Jenny im warmen Auto. Zum Glück war ihr Vater pünktlich gekommen. Seinen üblichen Sermon hatte sie auch diesmal hinter sich gebracht.
    « Manuela und Christine würden dich auch gern mal wieder sehen. Christine läuft schon wie wild durch die Gegend und brabbelt wie ein Buch », sagte er und sein Stolz war ihm anzusehen. « Komm doch mal wieder übers Wochenende! »
    « Ja, das mach ich. » Das hatte sie wirklich vor. Auch wenn sie sich bei ihrem Vater und seiner neuen Familie ebenso wie ein Fremdkörper vorkam wie zu Hause, vermisste sie doch ihre kleine Schwester.
    « Wie läuft‘s mit deiner Mutter? », wollte Jennys Vater wissen.
    « Hält uns auf Trab », antwortete sie knapp.
    Er lachte: « Das glaub ich! Und ist sie noch mit diesem Jungspund zusammen? »
    « Ja. » Vor ein paar Stunden war sie es jedenfalls noch.
    « Und wie geht’s Simone? »
    « Gut. » Was sonst sollte Jenny auch anderes sagen? Sollte sie ihm sagen, dass Simone noch immer in Tränen ausbrach, wenn das Gespräch auf ihn kam? Und darauf, dass er nicht auch ihr Vater war, so wie sie es beide bis vor drei Jahren angenommen hatten? Dass sie nach einer späten Einschulung und zwei Ehrenrunden während der Realschulzeit die Hänseleien ihrer wesentlich jüngeren Mitschüler erdulden musste? Ja schlimmer noch: dass sie das zweite Mal durch die mittlere Reife zu fallen drohte und in eine perspektivlose, ungewisse Zukunft schritt? Dass ihr sensibles Gemüt beinahe zugrunde ging an den täglichen Demütigungen durch die Mutter?
    Papa. Hilf mir!
    « Und die kleine Natascha? Hat sie Kontakt zu ihrem Vater? » Früher oder später führten die Fragen Jennys Vater immer an diesen Punkt.
    « Er holt sie jedes zweite Wochenende. »
    « Wow, da ist sie aber großzügig, deine Mutter. Mir hat sie damals die Hölle heißgemacht, wenn ich euch sehen wollte. »
    « Jetzt willst du ja nur noch mich sehen. » Der vorwurfsvolle Unterton in Jennys Stimme war nicht zu überhören.
    « So ist das nicht, Jenny! Du weißt, dass Simone jederzeit mitkommen kann, wenn sie will. »
    Damit es noch mehr wehtut!
    « Ja, ich weiß », lenkte sie ein.
    « Na siehst du! Sie ist halt jetzt in einem Alter, wo man nicht mehr mit den Eltern rumhängen will. Sie hat andere Dinge im Kopf », bestärkte ihr Vater mehr sich selbst als Jenny in seiner Ansicht.
    Genau! Fliegen klatschen, zum Beispiel.
    « So wie ich deine Mutter kenne, ist sie dann jedes zweite Wochenende bis nachts unterwegs, wenn Natascha bei ihrem Vater ist, stimmt’s?» »Da waren sie wieder angelangt: An dem Punkt, an dem Jennys Vater seiner Exfrau die Unfähigkeit bescheinigte, ihren mütterlichen Pflichten angemessen nachzukommen.
    « Mal mehr, mal weniger. » Jenny versuchte, gelangweilt zu klingen.
    « Und wer kümmert sich dann um dich? »
    « Papa, ich bin fünfzehn! »
    « Ja, und noch ein Kind. »
    Genervt rollte Jenny mit den Augen. Aber auch diese Fahrt nahm ein Ende.

    Doch jedes Ende ist auch ein Anfang: Noch ehe Jenny die Haustür aufgeschlossen hatte, hörte sie ihre Mutter und Simone streiten.
    « Doch, das wirst du! », blökte ihre Mutter.
    « Nein werd ich nicht! », schrie Simone zurück.
    « Oh doch das wirst du! »
    « Nein, ganz bestimmt nicht. Ich geh doch nicht die ganzen Sommerferien arbeiten, wenn ich das Geld nicht behalten darf. »
    « Ach nein? Das mache ich jeden Tag, meine Liebe. Seit ich siebzehn bin, arbeite ich für euch. Oder glaubst du, ich mach das zum Spaß? Ich würde auch lieber abends ausgehen, bis in die Puppen tanzen und das Leben genießen. Aber nein, ich gehe arbeiten, damit meine Kinder ein Dach über dem Kopf, was Warmes anzuziehen und etwas zu Essen auf dem Tisch haben. »
    « Dass ich nicht lache! Und wieso tragen wir dann nur alte gammelige Klamotten, während du immer gut angezogen bist? Außerdem hat keiner von dir verlangt, dass du so früh Kinder bekommst! »
    « Jetzt reicht’s aber, du freches Miststück! Was glaubst du, wo dein dicker Hintern herkommt? Von Essen, das ich bezahlt hab! »
    Jenny trat in den Flur und knallte die Tür hinter sich zu.
    Simone stampfte trotzig in Richtung ihres Zimmers, ihre Mutter aufgebracht hinterher.
    « Ich esse nie zu Hause, sogar am Wochenende ess ich bei Michael. » Simone warf ihre Zimmertür ins Schloss.
    Wütend stieß ihre Mutter sie wieder auf. « Wenn es dir hier nicht passt, kannst du gehen! Du liegst mir
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