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Der Vorfahr: Eine Seele in der Steinzeit (German Edition)

Der Vorfahr: Eine Seele in der Steinzeit (German Edition)

Titel: Der Vorfahr: Eine Seele in der Steinzeit (German Edition)
Autoren: Günter W. Hohenester
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und kam auf mich zu. Seine Mundwinkel waren hämisch herabgezogen. Sein Gesicht war von Bosheit verzerrt.
    »Du lässt die Steine sprechen? Wie machst du das denn? Was erzählen sie denn, die Steine? Heh? Kann ich da auch mal zuhören? Oder sprechen die nur zu dir, wie bei dem Anderen?«
    Wütender Neid klang aus seinen Worten. Sein Auge streifte dabei den bequem am Trinkfelsen lehnenden Ojun.
    »Meine Steine erzählen nichts. Sie sprechen nur an meiner Stelle.«
    »An deiner Stelle? Wozu soll das gut sein? Du kannst doch selbst sprechen.«
    Ich erkannte, dass es sich um ein totales Missverständnis handeln musste und so erzählte ich ihm von meiner Begegnung mit dem Mann der alten Rasse.
    Er hörte aufmerksam zu. Sein Gesicht entspannte sich. Der Neid und der Hohn verschwanden daraus.
    »Kannst du mir einen dieser Steine zeigen?«
    Ich schüttelte den Kopf. Die Steine lagen wohlverwahrt in Ojuns Hütte. Fanut fand das sehr schade und wandte sich enttäuscht einem anderen Gesprächspartner zu.
    Ich trank von meinem gegorenen Honigwasser und fragte Ojun, ob er wisse, warum Fanut so voller Neid sei. Ojun stellte sein Trinkhorn zurück auf den Trinkfelsen und winkte Drullsaua zu, es neu zu füllen.
    Er verschränkte die Arme und blickte vor sich hin.
    »Fanut hat zu viel vom Wesen derer die vom Stern hinter den Sternen kamen, denen, Die Bestraft Wurden. Er kann nicht die innere Stimme der Steine vernehmen. Er versteht nicht die lautlose Sprache der Bäume. Es ist ihm nicht möglich sich mit den Tieren zu verständigen, so wie wir es tun, von Kopf zu Kopf. Er ist ein Fremder in der Welt des Großen alten Mammuts. Er wollte immer Schamane sein. Aber er kann die Reise nicht machen. Kein Tier zeigt ihm den Weg. Kein Lehrer begegnet ihm. Ohne Belehrung, ohne Bild, ohne Weisheit und ohne Auftrag kommt er von der Reise zurück. Er ist kein Schamane. Er kann keiner werden. Aber er will unbedingt einer sein.
    Daher sein Neid, sein Hass, seine Missgunst gegenüber allen, denen es gegeben ist, den Lehren zu folgen.«
    Die Gespräche waren verstummt. Nur noch wenige Männer hielten sich am Steintisch und am Trinkfelsen auf. Die Weiber waren verschwunden. Bis auf Drullsaua, die stand bei dem Dunkelhaarigen, der das Rentier gebracht hatte, und lachte schrill. Hinter uns begannen die Trommler ihren Instrumenten rhythmische Klänge zu entlocken. Die Flöten zwitscherten fröhlich dazwischen.
    Wir nahmen unsere Trinkhörner und setzten uns auf unseren Platz am Feuer. Durch die auflodernden Flammen sah ich die tanzenden Weiber. Sie trugen Gewänder aus Schnüren, die aus der Wolle des Grases gedreht und geflochten waren. Die Rundungen ihre Brüste und Hüften schimmerten im flackernden Licht des Feuers daraus hervor. Aufrecht in einer Reihe nebeneinander bewegten sie sich vom Feuer weg und wieder darauf zu. Dann beugten sie die Knie und bildeten Paare, die sich mit flatternden Händen umkreisten. Sie richteten sich auf, lösten sich voneinander, schwangen die Arme wie Vogelschwingen und fanden wieder zueinander. Sie tanzten den Tanz der balzenden Vögel.
    Ich trank und schaute den Weibern zu, bis ihr Bild vor meinen Augen verschwand und einem anderen Bild Platz machte. Ich sah eine junge Trauerweide mit wehenden Zweigen, deren Stamm sich im Sommerwind bog. Und aus der Trauerweide wurde ein Mädchen auf einer Lichtung im Wald, dessen Füße durch das betaute Gras glitten, wobei sich sein schlanker, graziöser Körper im Mondlicht geschmeidig nach hinten bog, während sich das schöne Gesicht mit geschlossenen Augen den Sternen zuwandte. Yrsig war nicht hier. Da zog der Schmerz der Sehnsucht und des Verlangens in mein Herz.
    Später rückten Männer an unsere Seite. Sie waren neugierig zu erfahren, welche Bewandtnis es mit meinen sprechenden Steinen habe. Ich musste noch oft in dieser Nacht von meiner Begegnung mit dem Mann der alten Rasse berichten. Erst gegen Morgen als das Feuer niedergebrannt und die Tänzerinnen den Platz verlassen hatten, bat uns der Gebrechliche, der den brennenden Ast gebracht hatte zum Übernachten in seine Höhle.

Der falsche Schamane
    Ein Lachen weckte mich. Ojun stand vor mir.
    «Du hast Besuch.« Er deutete mit dem Kopf zum Höhleneingang. Yrsig? Mein Herz schlug schneller. Nein. Es war nicht Yrsig. Natürlich nicht!
    Vor der Höhle saßen Fanut der falsche Schamane, und noch drei der Männer vom Vorabend. Schweiß lief ihnen über die Gesichter. Ich sah auch weshalb. Vor jedem lag ein hoher Berg
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