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Der Verschollene

Der Verschollene

Titel: Der Verschollene
Autoren: Franz Kafka
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Mann weiter, "Sie werden doch nicht draußen stehn."
    "Störe ich nicht" fragte Karl. "Ach wie werden Sie denn stören.
    " "Sind Sie ein Deutscher?" suchte sich Karl noch zu versichern, da er viel von den Gefahren gehört hatte, welche besonders von Irländern den Neuankömmlingen in Amerika drohen. "Bin ich, bin ich", sagte der Mann. Karl zögerte noch. Da faßte unversehens der Mann die Türklinke und schob mit der Türe, die er rasch schloß, Karl zu sich herein. "Ich kann es nicht leiden, wenn man mir vom Gang hereinschaut", sagte der Mann, der wieder an seinem Koffer arbeitete. "Da lauft jeder vorbei und schaut herein, das soll der Zehnte aushalten." "Aber der
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    Gang ist doch ganz leer", sagte Karl, der unbehaglich an den Bettpfosten gequetscht dastand. "Ja jetzt", sagte der Mann. "Es handelt sich doch um jetzt", dachte Karl, "mit dem Mann ist schwer zu reden. " "Legen Sie sich doch aufs Bett, da haben Sie mehr Platz", sagte der Mann. Karl kroch so gut es gieng hinein und lachte dabei laut über den ersten vergeblichen Versuch sich herüber zu schwingen. Kaum war er aber drin, rief er:
    "Gotteswillen, ich habe ja ganz an meinen Koffer vergessen."
    "Wo ist er denn?" "Oben auf dem Deck, ein Bekannter gibt acht auf ihn. Wie heißt er nur? " Und er zog aus einer Geheimtasche, die ihm seine Mutter für die Reise im Rockfutter angelegt hatte, eine Visitkarte. "Butterbaum, Franz Butterbaum." "Haben Sie den Koffer sehr nötig" "Natürlich. " "Ja warum haben Sie ihn dann einem fremden Menschen gegeben?" "Ich hatte meinen Regenschirm unten vergessen und bin gelaufen ihn zu holen, wollte aber den Koffer nicht mitschleppen. Dann habe ich mich auch noch verirrt. " "Sie sind allein? Ohne Begleitung?." "Ja, allein. " Ich sollte mich vielleicht an diesen Mann halten, gieng es Karl durch den Kopf, wo finde ich gleich einen bessern Freund. "Und jetzt haben Sie auch noch den Koffer verloren.
    Vom Regenschirm rede ich gar nicht", und der Mann setzte sich auf den Sessel, als habe Karls Sache jetzt einiges Interesse für ihn gewonnen. "Ich glaube aber, der Koffer ist noch nicht verloren. " "Glauben macht selig", sagte der Mann und kratzte sich kräftig in seinem dunklen kurzen dichten Haar. "Auf dem Schiff wechseln mit den Hafenplätzen auch die Sitten, in Hamburg hätte Ihr Butterbaum den Koffer vielleicht bewacht, hier ist höchstwahrscheinlich schon von beiden keine Spur mehr." "Da muß ich aber doch gleich hinaufschauen", sagte Karl und sah sich um wie er herauskommen könnte. "Bleiben Sie nur", sagte der Mann und stieß ihn mit einer Hand gegen die Brust geradezu rauh ins Bett zurück. "Warum denn?" fragte Karl ärgerlich. "Weil es keinen Sinn hat", sagte der Mann. "In einem kleinen Weilchen gehe ich auch, dann gehn wir zusammen.
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    Entweder ist der Koffer gestohlen, dann ist keine Hilfe und Sie können ihm nachweinen bis an das Ende Ihrer Tage oder der Mensch bewacht ihn noch immer, dann ist er ein Dummkopf und soll weiter wachen oder er ist bloß ein ehrlicher Mensch und hat den Koffer stehn gelassen, dann werden wir ihn bis das Schiff ganz entleert ist, desto besser finden. Ebenso auch Ihren Regenschirm." "Kennen Sie sich auf dem Schiff aus?" fragte Karl mißtrauisch und es schien ihm, als hätte der sons t überzeugende Gedanke, daß auf dem leeren Schiff seine Sachen am besten zu finden sein würden, einen verborgenen Haken.
    "Ich bin doch Schiffsheizer", sagte der Mann. "Sie sind Schiffsheizer", rief Karl freudig, als überstiege das alle Erwartungen, und sah den Elbogen aufgestützt den Mann näher an. "Gerade vor der Kammer, wo ich mit den Slowacken geschlafen habe, war eine Luke angebracht durch die man in den Maschinenraum sehen konnte." "Ja dort habe ich gearbeitet", sagte der Heizer. "Ich habe mich immer so für Technik interessiert", sagte Karl, der in einem bestimmten Gedankengang blieb, "und ich wäre sicher später Ingenieur geworden, wenn ich nicht nach Amerika hätte fahren müssen."
    "Warum haben Sie denn fahren müssen?" "Ach was! " sagte Karl und warf die ganze Geschichte mit der Hand weg. Dabei sah er lächelnd den Heizer an, als bitte er ihn selbst für das nicht Eingestandene um seine Nachsicht. "Es wird schon einen Grund gehabt haben", sagte der Heizer und man wußte nicht recht, ob er damit die Erzählung dieses Grundes fordern oder abwehren wolle. "Jetzt könnte ich auch Heizer werden", sagte Karl,
    "meinen Eltern ist es jetzt ganz gleichgiltig was ich werde."
    "Meine Stelle wird frei", sagte
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